»Wunder gibt es immer wieder«: Nicht wenige
fühlten sich gestern an die Dauerschnulze von Katja Ebstein erinnert,
als der NRW-Finanzminister von einem unverhofften Geldsegen
berichtete. Über Nacht wurden 1,3 Millionen Euro zusätzlicher
Schulden obsolet. 355 Millionen Euro mehr Steuereinnahmen als im
November noch angenommen habe es gegeben und fast eine Milliarde Euro
seien weniger ausgegeben worden, berichtete Norbert Walter-Borjans
vor der erstaunten Landespresse. Das sei in den vergangenen Tagen
aufgefallen. Dennoch will niemand an übernatürliche Ereignisse
glauben. Die Ahnungslosigkeit des Finanzchefs ist das wohl
irritierendste Phänomen. Auch er kann sich keinen Reim auf die Frage
machen, aus welcher Wolke die Milliarde auf NRW herabregnete. Vorerst
muss als Erklärung ausreichen, dass es Wunder eben immer wieder gibt.
Deshalb klingen Walter-Borjans unmelodische Worte von gestern weniger
nach Ebsteins Wunder-Version als nach der Interpretation durch Guildo
Horn: drangvoll, dreist, überlagert von Männerschweiß. In der
vergangenen Woche sah die Finanzwelt an Rhein und Ruhr noch ganz
anders aus. Statt Schlager-Kontest war parlamentarischer
Schlagabtausch angesagt. Schließlich hatten die Verfassungshüter der
rot-grünen Minderheitsregierung soeben ihre schwerste Schlappe
beigebracht. Die Prokura für neue Schulden war vorläufig entzogen
worden. Sowohl Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) als auch der
SPD-Finanzminister ließen vor dem NRW-Landtag nicht den geringsten
Zweifel daran zu, dass der seit Monaten heftig umstrittene
Nachtragshaushalt in voller Höhe erforderlich sei. Auffällig: Für die
Grünen trat kein Regierungsmitglied ans Rednerpult und deren
Fraktionschef Reiner Priggen ließ sich lieber über alte
finanzpolitische Sünden der Vorgängerregierung aus. Seit gestern ist
klar warum. Krafts Koalitionspartner reißt der Geduldsfaden. Die
einstige Öko-Partei hat sich schon lange ehrliche Kassenführung und
Nachhaltigkeit auch bei den Finanzen – und dazu zählt die
Schuldenvermeidung – auf die Fahne und ins Wahlprogramm geschrieben.
Kein Wunder, dass den Grünen Krafts »vorsorgende« Schuldenmacherei
gegen den Strich geht. Mag sein, dass NRW mit seinem um 1,3
Milliarden Euro verminderten, aber immer noch weit oberhalb der
Zulässigkeit angesiedelten Finanzbedarf für 2010 vor Gericht
demnächst doch noch davon kommt. Selbst dann wären die Schrecken der
vergangenen Wochen heilsam gewesen. Bei der verschobenen Aufstellung
des Etats 2011 ist schon jetzt Schluss mit dem Griff in die Vollen.
Die Linken kommen als Mehrheitsbeschaffer nicht länger in Frage. Ohne
Duldung und eine gewisse Mitsprache des bürgerlichen Lagers ist in
NRW kein Staat mehr zu machen. Ganz klar: »Wunder gibt es immer
wieder, heute oder morgen können sie geschehn.«
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