Die Deutschen haben–s im Kreuz. Schuld daran ist
wahrscheinlich Hape Kerkeling. »Ich habe Rücken«, lässt Kerkeling
seine Kunstfigur Horst Schlämmer gerne jammern, wenn er nicht gerade
Kreislauf, Steiß oder Füße »hat«. Das Schlämmer-Zitat hat sich
schneller ausgebreitet als jede asiatische Grippe. »Ich habe Rücken«
ist zur Standardformel geworden, wenn–s im Kreuz zwickt. »Morbus
Schlämmer« – die Volksseuche? Tatsächlich klagt etwa jeder dritte
Deutsche über das Kreuz mit dem Kreuz. Nur ein geringer Teil der
Beschwerden lässt sich auf unmittelbare Ursachen wie
Bandscheibenvorfall oder Knochenschwund zurückführen. Stress,
Bewegungsmangel, aber auch Joggen können ins Kreuz gehen. Manchmal
meldet sich der Rücken auch nur, weil andere Organe erkrankt sind –
etwa bei Nierensteinen. Angesichts der vielfältigen Ursachen für
Rückenschmerzen überrascht der Befund der AOK, dass sich die Zahl der
Wirbelsäulenoperationen innerhalb von fünf Jahren verdoppelt hat. Die
Gretchenfrage lautet: Wird so viel operiert, weil es für Arzt und
Krankenhaus lukrativ ist? So, wie sich Goethes Faust um eine Antwort
herumwindet, reagiert auch die Klinik-Lobby. Die wachsende Zahl
älterer Menschen und der medizinische Fortschritt sind gewiss
mitverantwortlich für den Anstieg der Behandlungszahlen. Aber reicht
diese Erklärung der Deutschen Krankenhausgesellschaft aus? Angesichts
der AOK-Statistik muss daran gezweifelt werden. Wenn Kliniken jedem
zweiten Chefarzt Prämien für hohe OP-Zahlen versprechen, wenn sich
manche Eingriffe nach dem komplizierten Bewertungsschlüssel der
Kassen durchaus lohnen und andere bis über die Schmerzgrenze hinaus
rationalisiert werden müssen, dann bleibt das nicht ohne Folgen.
Kliniken sind Wirtschaftsbetriebe, die im planwirtschaftlich
gesteuerten Gesundheitswesen überleben müssen. Das muss jedem
Patienten klar sein, dem eine Operation angeraten wird. Noch zu
wenige trauen sich, eine zweite ärztliche Meinung einzuholen, obwohl
das ihr gutes Recht ist. Zugleich müssen die Kliniken ihre
Qualitätsberichte endlich so offenlegen, dass sie für Otto
Normalpatient nachvollziehbar werden. Wenn laut AOK manche Kliniken
bei Herzkatheteruntersuchungen Kompliaktionsraten von mehr als 15
Prozent aufweisen, andere aber weniger als fünf Prozent, dann will
der Patient wissen, welches Haus er besser meiden sollte. Bewegen
müssen sich aber auch die Krankenkassen, die einerseits mit mehr oder
weniger fraglichen Zusatzleistungen um Kunden buhlen, in anderen
Fällen aber einen manischen Sparzwang offenbaren. Beispiel Rücken:
Hier kann oft eine Physiotherapie helfen. Die wird von den Kassen
allerdings nur eingeschränkt bezahlt. Sparen auf dem Rücken der
Patienten: Das kann nicht die Lösung des Problems sein.
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