Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Bundespräsidenten-Affäre

»Besser die Wahrheit«. So heißt ausgerechnet das
Buch, in dem der damalige niedersächsische Ministerpräsident
Christian Wulff sein politisches und privates Leben beschrieb. Fast
43 000 Euro hat sein befreundeter Unternehmer Carsten Maschmeyer
während des Landtagswahlkampfes 2008 in die Anzeigenkampagne für das
Buch investiert. Es fällt schwer zu glauben, dass Christian Wulff
davon nichts gewusst haben soll.

Ein Kredit in Höhe von 500 000 Euro sowie Urlaubsaufenthalte in
den Villen befreundeter Unternehmer sind weitere Vorgänge, die
rechtlich einwandfrei sein mögen, moralisch aber bedenklich sind.
Auch wenn die wesentlichen Vorwürfe Wulffs Zeit als Ministerpräsident
betreffen und sie nicht direkt seine Amtsführung als Staatsoberhaupt
berühren, wirft die fragwürdige Nähe zu den Reichen ein schlechtes
Licht auf den Politiker Wulff. Eine persönliche Erklärung mit
vollständiger Aufklärung ist bislang ausgeblieben. Umso mehr darf man
auf die Weihnachtsansprache gespannt sein.

»Wir brauchen einen unbefangenen Bundespräsidenten.« Diese Worte
stammen von Christian Wulff. Er kritisierte damit den damaligen
Bundespräsidenten Johannes Rau, der im Jahr 2000 wegen einer
Flugaffäre unter Druck stand. Ein Jahr zuvor sah Wulff in dem
Verhalten des ehemaligen Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski ein
»Problem für die Würde des Amtes«. Der SPD-Politiker musste sich
wegen einer Vorteilsannahme verantworten. Später trat er zurück.
Christian Wulff hat die Nähe zur Geschäftswelt gesucht und gefunden.
Im Umgang mit vermögenden Unternehmern profitierte er von seiner
politischen Position.

Der Bundespräsident ist der höchste Repräsentant des Landes. Er
sollte als Vorbild dienen und über alle moralischen Zweifel erhaben
sein. Er muss den moralischen Zeigefinger heben, wenn die guten
Sitten und Gebräuche nicht eingehalten werden. Wie will Wulff dieser
ihm übertragenden Verantwortung künftig gerecht werden? Die
Sondersitzung des Ältestenrats ist ergebnislos beendet worden. Das
ist keine Überraschung. Vielmehr ist jetzt wichtig, dass der
Bundespräsident sich fragen muss, ob er derart belastet noch die
moralische Autorität und Glaubwürdigkeit hat, die er braucht, um sein
Amt auszufüllen.

Es ist Christian Wulff zu wünschen, dass er den Mut hat, die
richtige Entscheidung zu treffen. Für sich und das hohe Amt.

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