Der CIA-Chef David Petraeus tritt wegen
»ehelicher Untreue« zurück, und schon wird Washington zur
Gerüchteküche. Es ist die Zeit der Verschwörungstheorien, denn
niemand will glauben, dass eine private Liebesbeziehung zwischen zwei
Erwachsenen der wahre Grund des Rücktritts sein kann. Politiker und
Kommentatoren stimmen ein Empörungskonzert an und versuchen,
politisches Kapital aus einer Affäre zu schlagen, die profaner und
überflüssiger kaum sein könnte. Seit langem nehmen sich die 16
Geheimdienste der USA selbst zu ernst. Sie schaffen einen
bürokratischen Wasserkopf, der bisher fast jeder US-Regierung mehr
geschadet als genützt hat. Nach außen wird alles zum Wohle der
nationalen Sicherheit getan, doch hinter den Kulissen toben
Machtkämpfe: Der Nationale Sicherheitsrat, das
Verteidigungsministerium, das Außenministerium und andere Behörden
wollen auch gefragt und gehört werden. Es ist ein bürokratischer
Alptraum. Hämische Beobachter halten die CIA-Agenten für »Clowns in
Aktion«. Die Liste ihrer Misserfolge ist lang. Obendrein sind
»verdeckte Operationen« und Entführungen Untaten, die mit den
amerikanischen Werten von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht
übereinstimmen. Geheimnistuerei passt nicht zu einer offenen
Gesellschaft. So wird die größte Spionagebehörde der Welt, die NSA,
von Kritikern gern »No Such Agency« genannt (»Diese Behörde gibt es
nicht«). Nun wird auch noch der US-Kommandeur in Afghanistan, General
John Allen, in die Petraeus-Affäre verwickelt. Angeblich hat der
General sexuell anzügliche E-Mails an Jill Kelley geschickt, die mit
David Petraeus und dessen Frau befreundet ist. Kelley arbeitet
ehrenamtlich auf dem Luftwaffenstützpunkt Mac Dill in Florida. Sie
hatte die FBI-Ermittlungen im Fall des zurückgetretenen Petraeus
ausgelöst, weil sie angeblich durch Drohmails der Petraeus-Geliebten
Paula Broadwell belästigt worden war. David Petraeus galt als tapfer,
intelligent und integer. Als Erfinder der »Aufstandsbekämpfung«
gingen Gewalt und Terror unter seinem Kommando von Sommer 2007 an im
Irak zurück. Als er jedoch 2011 zum CIA-Direktor ernannt wurde,
konnte er sein Konzept der Aufstandsbekämpfung nicht nach Afghanistan
übertragen. Dort heißt es heute nur noch: Abzug so schnell wie
möglich! Der Rücktritt des CIA-Chefs bietet keinen Grund, den
selbstverschuldeten Fall dieses Super-Militärs übermäßig zu beklagen.
Petraeus hat den schmutzigen Drohnen-Krieg über Pakistan koordiniert,
und er steht im Verdacht, beim Anschlag auf den US-Botschafter in
Bengasi seine Regierung falsch informiert zu haben. Sein Nachfolger
muss nun versuchen, Obamas außenpolitische Doktrin des »leichten
Fußabdrucks« umzusetzen – den Versuch, eine friedensorientierte
Diplomatie mit Drohnen-Angriffen im Ausland in Übereinstimmung zu
bringen. Das ist ein fast undurchführbarer Auftrag.
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