Sie will sich nicht neu erfinden, überraschen oder
glänzen, nicht mal variieren. Manche Sätze beginnt Angela Merkel
gleich mit dem Hinweis „Ich habe das oft gesagt“. Im 13. Jahr ihrer
Kanzlerschaft ist es wohl unvermeidlich. Medialer Auftrieb und
Erkenntnisgewinn der „sommerlichen Begegnung“, wie Merkel ihre
Pressekonferenz nennt, stehen in einem Missverhältnis. Eine Botschaft
war klar: die Schuldfrage der CSU im Asylstreit. Er war schroff im
Ton, hat geschadet, Verdruss provoziert, Vertrauen gekostet. Und doch
hat er sich für Merkel gelohnt, weil die Kanzlerin ihre Linie
durchgesetzt hat – keine nationalen Alleingänge – und klar geworden
ist, dass nur Minister sein kann, wer ihre Richtlinie akzeptiert. Es
waren Passagen, bei denen Minister Seehofer die Ohren geklungen haben
müssen. Unter den Machtpolitikern ist Merkel die Feinmechanikerin,
akkurat, sachlich, detailversessen, geduldig. Sie ist indes zunehmend
von Hauruck-Politikern umgeben, Putin, Trump, Erdogan, Orbán, auf
seine Art reiht sich da auch Macron ein. Lauter Männer, die glauben,
dass sie mit einer Rede, einem Tweet, kurzum: handstreichartig die
Dinge verändern können. Die Deutschen schätzen ihre Kanzlerin. Aber
sie ahnen, dass Merkel aus der Zeit gefallen sein könnte. Sie wollen
keine radikal andere Politik, aber ein neuer Stil wäre schön. Auf die
Frage, wem sie am meisten vertrauen, schnitt der französische
Präsident in unserer Umfrage besser als Merkel ab. Das kann nicht an
den harten Fakten liegen, an vermeintlichen Erfolgen. Tatsächlich
macht sich bei den Franzosen sogar Ernüchterung breit. Jedes Volk
sehnt sich nach dem, was es vermisst: die Franzosen nach guten
Zahlen, die Deutschen nach einer Regierungschefin, die
leidenschaftlich, begeisternd, mitreißend und keine
Weiter-so-Kanzlerin ist. Merkel macht nicht neugierig.
Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion
Telefon: 02331/9174160
Original-Content von: Westfalenpost, übermittelt durch news aktuell