Natürlich sind die jüngsten Kirchenaustrittszahlen
höchst alarmierend. Fast 50 000 Menschen haben allein in
Nordrhein-Westfalen der katholischen Kirche den Rücken gekehrt. Die
Kirchenoberen streuen Asche auf ihr Haupt und sprechen zerknirscht
von massiven Glaubwürdigkeitsproblemen, von einem schleichenden
Vertrauensverlust. Wohl wahr, aber wohl nicht der einzige Grund für
den Abschied aus dem Schoß der Kirche.
Denn auch ohne Missbrauchsskandal und ohne einen Bischof
Franz-Peter Tebartz-van Elst durchleidet ja die evangelische Kirche
den gleichen Schwund wie die Schwesterkonfession. Die vom
katholischen Angebot Enttäuschten wechseln eben nicht ins
protestantische Lager. Sie wenden sich gänzlich vom Glauben ab.
Zumindest von dem, für den die zwei Volkskirchen stehen.
Es ist vielleicht auch das Misstrauen gegen Religionen generell,
das die Austritte gegenwärtig so enorm beflügelt. Zu viel wurde und
wird im Namen des Glaubens zerstört und vernichtet. Seit vielen
hundert Jahren, ohne Unterlass, bis heute. Die Menschen haben nicht
nur das Vertrauen, sie haben auch die Geduld verloren. Im Kleinen vor
ihrer Haustür und im Großen, das sie per Zeitung und Fernsehen
geliefert bekommen. Mag sein, dass die Kirchenstatistik nur eine
traurige Momentaufnahme ist. Mag sein, dass es noch viel schlimmer
wird.
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