Als der Portugiese Barroso vor fünf Jahren im
Europa-Parlament um Unterstützung für eine zweite Amtszeit warb, gab
er in den Fraktionen das Chamäleon: wertkonservativ bei den
Schwarzen, mit sozialem Drive bei den Roten, stramm
wettbewerbsorientiert bei den Liberalen, ökologisch bei den Grünen.
„Barroso bietet tausendfach – alles unter einem Dach“ höhnte
seinerzeit SPD-Häuptling Martin Schulz. Diesmal ist alles anders –
oder vielleicht doch nicht?
Die Straßburger Kammer hat jetzt die Tatherrschaft bei der Kür des
EU-Chefmanagers. Sie bestätigt nicht mehr einen Vorschlag der
Staats-und Regierungschefs. Sie hat ihnen vorab verbindlich
mitgeteilt, wen sie bitteschön zu nominieren haben. Nämlich Juncker.
Und der hat sich dann die Zustimmung einer breiten Mehrheit besorgt –
mit einem Füllhorn von Versprechen: Haushaltsdisziplin für die
Christdemokraten, Investitionsprogramm für die Sozialisten,
Freihandel für die Liberalen, erneuerbare Energien für die Grünen,
Bekenntnis zum Nationalstaat für die Konservativen. Alles wie gehabt?
Nicht ganz. Zwar kann ein Kommissionschef noch weniger „breit
durchregieren“ als ein nationaler Premier. Sein Programm ist eine
Mischung der politischen Hauptrichtungen in den Mitgliedstaaten.
Dennoch macht Junckers Auftritt im Europa-Parlament Hoffnung auf eine
Belebung des Systems Brüssel.
Er hat „eine sehr politische Kommission“ versprochen. Soll heißen,
dass er nicht à la Barroso beflissener Diener der Regierungen sein,
sondern bei den großen Problemen, die den Nationalstaat überfordern,
auf eine europäische Lösung drängen will. Der angeblich verschlissene
Mann von gestern präsentierte sich kampfeslustig und durchaus
gerüstet für die Auseinandersetzungen von morgen.
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