Westfalenpost: Knut Pries zu Europas Flüchtlingspolitik

Die irische Hauptstadt kann nichts dafür – aber sie
steht jetzt für das Versagen der europäischen Asylpolitik. „Dublin“
ist die Chiffre für den Jahrzehnte alten, nunmehr gescheiterten
Versuch, das Problem zu marginalisieren: Es wurde an den Rand
geschoben. Die Kernbestimmung des Dublin-Verfahrens besagt: Ein
Flüchtling hat seinen Asylantrag dort abzugeben, wo er zuerst
EU-Boden betritt. Es liegt auf der Hand, dass dies vorrangig die
Länder mit langer EU-Außengrenze betrifft. Damit wurde unfaire
Verteilung zum Prinzip erhoben, zu Lasten der Mittelmeeranrainer und
später beitretender östlicher Mitgliedstaaten, zum Nutzen der Länder
im Norden und Westen. Auch Deutschland legte sich seinerzeit für die
schiefe Regelung ins Zeug. Massenandrang in Verbindung mit
Schengen-Freizügigkeit haben sie erledigt. Dublin ist tot, und das
ist gut so.

Nur die Beerdigung steht noch aus. Die EU-Kommission erklärt,
Dublin „bleibt die Grundlage des Systems“. Zugleich macht sie
Vorschläge für eine „Neuansiedlung“, die auf Abkehr von dieser
Grundlage hinauslaufen. Besser: hinauslaufen müssen, denn anders ist
die fällige Verteilungsgerechtigkeit bei der gegebenen Zahl von
Menschen nicht zu bewerkstelligen. Auch die geplanten „Hot Spots“
innerhalb und außerhalb der EU haben mit dem territorialen
Zufallsprinzip à la Dublin nichts mehr zu tun.

Die EU nähert sich der Erkenntnis, dass sie das vermeintlich
randständige Problem gemeinsam hat. Deutschland, überwältigt von der
Macht des Faktischen, hat sich zu dieser Erkenntnis schon durchringen
müssen. Den Integrationsmuffeln im Osten wird sie nicht erspart
bleiben.

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