Westfalenpost: Kommentar zu Finanzen/Europa/Nur ein kleiner Schritt/Griechenland ist noch lange nicht gerettet/Von Stefan Pohl

Nein, Griechenland ist auch jetzt noch nicht vor dem
Bankrott gerettet – es hat mit dem Schuldenschnitt lediglich einen
kleinen Schritt in Richtung rettendes Ufer getan. Das Land ist damit
in der Lage, seine Chance wahrzunehmen, die versprochenen Reformen in
die Tat umzusetzen: gekaufte Zeit. Die Staatspleite droht immer noch,
aber sie steht nicht mehr unmittelbar bevor. Die größten Risiken
liegen nun in Griechenland selbst, in der Tatkraft seiner Regierung
und in der Duldungs-, ja Leidensfähigkeit seiner Bevölkerung. Die
Sparprogramme müssen verwirklicht, der Staatshaushalt konsolidiert
und Privatisierungen von Staatsbetrieben konsequent vorangetrieben
werden, damit die erdrückende Gesamtverschuldung wenigstens auf 120
Prozent der Wirtschaftskraft gedrückt werden kann. Doch in wenigen
Wochen sind Wahlen. Wahlkampfzeiten eignen sich nun einmal eher zum
Geldausgeben als für Ausgabendisziplin, was dazu führen könnte, dass
der Geldzufluss der Gemeinschaft endgültig versiegt. Schließlich ist
es sogar möglich, dass die Wut der Griechen über die Einschnitte die
von den Euro-Partnern geschätzte Regierung Papademos hinwegfegt. Die
Frage ist jetzt, ob die Märkte Vertrauen fassen, dass Griechenland
seine immer noch gigantischen Rest-Schulden jetzt bedienen kann. Alle
Anzeichen deuten darauf hin, dass das eher nicht der Fall ist – die
große Erleichterung an den Börsen ist ausgeblieben. Das heißt, dass
die Gefahr einer ungeordneten Pleite Griechenlands zunächst gebannt
ist – aber auch eine geordnete würde schrecklich.

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