Neues Urteil zur Sicherungsverwahrung
Von Winfried Dolderer Und wieder eine Ohrfeige aus Straßburg. So
könnte es scheinen, nachdem jetzt der Menschenrechtshof einen
weiteren Aspekt des deutschen Umgangs mit der Sicherungsverwahrung
gerügt hat. Beim ersten Mal haben die Richter verboten, eine
befristete Maßnahme nachträglich in eine unbefristete umzuwandeln.
Jetzt betonen sie das Prinzip, dass die Sicherungsverwahrung bereits
im Strafurteil angeordnet sein muss und nicht erst im Nachhinein
verhängt werden darf. Das freilich ist seit dem 1. Januar ohnehin
nicht mehr möglich, da hat die Bundesregierung schon Abhilfe
geschaffen, wenn auch nur für die Zukunft. Ihre Reform der
Sicherungsverwahrung nach Maßgabe des ersten Straßburger Urteils
folgt dem Prinzip, dass überstaatliches Recht staatlichem vorgeordnet
ist, die Europäische Menschenrechtskonvention, nach der in Straßburg
entschieden wird, also dem Grundgesetz. In mancher Hinsicht ist die
Konvention präziser als die deutsche Verfassung. Sie enthält etwa,
anders als diese, einen Katalog von exakt definierten Bedingungen,
unter denen Menschen in Unfreiheit gehalten werden dürfen. Das
erklärt die Kollision der Rechtssysteme in Sachen
Sicherungsverwahrung. In Berlin streiten die Parteien darüber, ob die
Regierung den Vorgaben weit genug gefolgt ist. Etwa die Möglichkeit,
„psychisch gestörte“ Täter zwangsweise in Therapie unterzubringen:
Deckt sie sich mit der Klausel der Konvention, die dies für
„psychisch Kranke“ vorsieht?Das Thema hat die Straßburger wohl nicht
zum letzten Mal beschäftigt.
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