Westfalenpost: Schuldenschnitt zum Zweiten Von Winfried Dolderer

Noch winden sie sich. Ein weiterer Schuldenerlass
für Griechenland, obendrein auf Kosten deutscher Steuerzahler? Kommt
überhaupt nicht in Frage, tönt es unisono aus Berlin. Da passt
zwischen Kanzlerin und Finanzminister kein Blatt Papier. Einer
gewissen Pikanterie entbehrt es nicht, dass sie dabei ausgerechnet
ein juristisches Argument bemühen: Nach deutschem Haushaltsrecht sei
es unzulässig, einem bankrotten Schuldner weitere Kredite zu geben.
Mit anderen Worten: Wer jetzt den Griechen ihre Verbindlichkeiten
schenkt, begibt sich selbst der Möglichkeit, ihnen künftig wieder
finanziell unter die Arme zu greifen. Und das will doch niemand,
oder? Ein gutes halbes Jahr ist es erst her, dass sich private
Gläubiger haben überreden lassen müssen, auf über 50 Prozent ihrer
Forderungen an Griechenland zu verzichten. Ob das eine gute Idee war,
ist im Nachhinein bezweifelt worden. Denn mit diesem ersten
Schuldenschnitt war der Nimbus der absoluten Verlässlichkeit
europäischer Staatsanleihen dahin, mit kostspieligen Folgen für
Spanier oder Italiener. Wenn jetzt Gerüchte über einen weiteren
Schuldenschnitt kursieren, zeigt das obendrein, dass die Maßnahme für
die Katz war. Den Griechen ist mit noch so vielen Schuldenschnitten
nicht zu helfen, solange ihre Wirtschaft nicht wächst, und sie sich
mit einem Lebensstandard auf Drittweltniveau nicht abfinden wollen.
Sicher ist: Sollte es einmal mehr werden als ein Gerücht, wird das
deutsche Haushaltsrecht nicht stören. Die Erfahrung zeigt, dass bei
der Eurorettung nichts so zügig unter die Räder kommt wie rechtliche
Bindungen.

Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160