Westfalenpost: Steinbrück / Regierungssitz

Auch ich glaube nicht, dass mir ein Pinot Grigio für
weniger als 5 Euro schmecken würde. Auch ich hätte gerne viel Zeit
für einen Nebenjob, der mich zum Einkommensmillionär machen würde.
Auch ich finde es unangemessen, dass ein Bundeskanzler weniger
verdient als ein Sparkassendirektor. Und auch ich halte den
Doppel-Regierungssitz Berlin/Bonn für teuer und ineffektiv. Aber ich
will auch nicht gewählt werden von Bonnern und anderen Rheinländern,
von Menschen, denen es schwerfällt, 4,99 Euro für einen Wein
auszugeben, denen ein ordentlich bezahlter Job ausreichen würde, die
es irritierend finden, wenn ein Mann, der sich um die kleinen
Einkommen kümmern sollte, von oben herab und pathologisch häufig über
Geld spricht. Peer Steinbrück hat schon recht, wenn er manche Kritik
an seinen Äußerungen verlogen nennt, wenn er darauf besteht, sich
nicht verbiegen lassen zu wollen und nur die Wahrheit zu sagen. Aber
sich zu überlegen, welche Wahrheit man wann äußert, ist nicht
ehrenrührig für einen Politiker. Das Nachdenken darüber, wie die
eigenen Äußerungen wirken, wäre sogar äußerst empfehlenswert. Wer
dafür kein Gespür besitzt, ist trotz ansonsten glänzender Anlagen nur
bedingt geeignet für höchste Ämter. So sehr weichgespülte Politiker
auch nerven – beratungsresistente sind keine Alternative.

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