Westfalenpost: Zur wachsenden Suchtgefahr beiälteren Menschen Ein schmaler Grat zur Abhängigkeit Von Wilfried Goebels

Die „stille Katastrophe“ findet tagtäglich in den
eigenen vier Wänden statt. Im Gegensatz zu Jugendlichen fallen Ältere
mit ihrem Suchtverhalten in der Öffentlichkeit kaum negativ auf.
Suchtprobleme, Vereinsamung und Sinnleere zeigen sich zu Hause im
privaten Umfeld. Die Grenzen zwischen notwendiger Einnahme von
Medikamenten und dem Missbrauch von Psychopharmaka im Alter sind
fließend. Gerade das Private macht die Frühentdeckung der Sucht aber
schwierig. Längst ist die Beruhigungspille für viele Ältere zum
Freund geworden. Bei Ängsten und Schlaflosigkeit werden als schnelle
Lösung Medikamente verschrieben, wo eine Analyse der Ursachen
sinnvoller wäre. Dazu aber fehlt vielfach die Zeit. Dass rezeptfreie
Schmerzmittel aus der Fernsehwerbung kaum mehr wegzudenken sind,
wirft ein Schlaglicht auf die lukrativen Geschäfte mit den
scheinbaren Problemlösern. Das Risiko der Abhängigkeit ist da kein
Thema. Es gibt einen schmalen Grat zwischen Gewohnheit und
Abhängigkeit. Da wird mancher zum „armen Schlucker“, weil die
Alarmlampen nicht aufleuchten. Nach dem Abschied aus dem Berufsleben
fehlt die soziale Kontrolle im Betrieb – aber auch der soziale
Kontakt zum Kollegen, um der Einsamkeit zu entfliehen. Nicht wenige
verirren sich im Teufelskreis der Süchte, weil es an Aufgaben
mangelt. Suchtprävention darf sich nicht nur auf medizinische
Kategorien reduzieren. Mindestens ebenso wichtig ist, dass sich
Menschen aufgehoben fühlen. Der Ansatz, altengerechte Quartiere in
NRW gezielt zu fördern, könnte mehr Suchterkrankungen verhindern als
alle Programme gegen Alkohol- und Pillenmissbrauch.

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