Noch immer werden in 28 afrikanischen Staaten Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt, auch wenn in vielen Ländern Gesetze den Eingriff verbieten und Aufklärung stattfindet. In Bayern leben derzeit vor allem Mädchen und Frauen aus Somalia, Nigeria und Sierra Leone, die Betroffene sind; darunter minderjährige alleinreisende weibliche Flüchtlinge. Bei den Frauen aus Somalia muss davon ausgegangen werden, dass sie zu nahezu 100% der schweren Form der Beschne-dung, der Infibulation unterzogen wurden. Derzeit stellen Somalier eine der größten Gruppen bei den Flüchtlingen, die nach Bayern kommen, darunter sehr viele Familien mit Kindern.
Allein in der Landeshauptstadt München z.B. lebten am 30.11.2009 insgesamt 3185 weibliche Personen mit der Nationalität eines afrikanischen Landes, in dem die genitale Beschneidung praktiziert wird oder wurde. Ein Anteil von 19,3 % waren Mädchen unter 15 Jahren und damit im Alter höchster Gefährdung, das sind ca. 600 Mädchen (Rundbrief des RGU der Stadt München 2010). Bis heute gibt es nur vereinzelt Präventionsmaßnahmen, durch die gefährdete Mädchen hier in Bayern vor einer Beschneidung geschützt werden. Die Eltern aus den relevanten afrikanischen Ländern werden weder aufgeklärt noch beraten. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
Wir fordern daher von der Bayerischen Staatsregierung:
– ein ärztliches Beratungs- und Untersuchungsangebot für Frauen aus Risikoländern durch Gynäkologinnen bereits in den Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge einzurichten.
Dies Angebot ist aufgrund der oft schwerwiegenden gesundheitlichen Beschwerden infolge des stark tabuisierten Eingriffes notwendig. Die Beratung könnte zusätzlich genutzt werden, die Frauen als Mütter aufzuklären und über die Gesetzeslage in Deutschland zu informieren. Denn bei Familien, die nicht aufgeklärt sind, besteht das Risiko, dass sie ihre Töchter beschneiden lassen wollen – auch hier in Bayern. Denn sie stehen oftmals unter großem sozialen Druck.
– Die Bayerische Staatsregierung soll eine gezielte Information für alle Ärzte und Hebammen in allen Abteilungen für Geburtshilfe in den Bayerischen Krankenhäusern durchführen. TERRE DES FEMMES sieht es als dringend notwendig an, diese Berufsgruppen über die gesundheitlichen Probleme in Folge der weiblichen Genitalverstümmelung aufzuklären, und Hinweise zur Behandlung und Beratung der betroffenen Frauen zu geben. Die gravierenden Probleme der betroffenen Frau-en, speziell bei einer Geburt, machen eine gezielte ärztliche Beratung erforder-lich, die kultursensibel durchgeführt werden sollte. Derzeit besteht bei sozialen oder Gesundheitsberufen oftmals große Unsicherheit oder sogar Unwissenheit bezüglich einer kultursensiblen Behandlung und Beratung. Eine bundesweite Befragung von Ärzten und Ärztinnen durch UNICEF und TERRE DES FEMMES zeigte große Informationsdefizite.