WAZ: Bahn sparte zur falschen Zeit. Kommentar von Dietmar Seher

Schön, dass Amerikaner auf Europatrip immer wieder
das perfekte deutsche Bahnsystem loben: Die schnellen, pünktlichen
Züge. Die Bahnkunden an Rhein und Ruhr werden dagegen bald schon
wieder fluchen. Die Kölner Hohenzollernbrücke, eines der Nadelöhre,
muss saniert werden. Das bringt Verspätungen und Zugausfälle. Und
1400 weitere Brücken warten noch auf die Reparatur. Das Netz ist
heruntergewirtschaftet. Warum war der Staat nicht in der Lage, sein
Premiumprodukt zu pflegen? An der Reform von 1994, die der Bahn den
Verwaltungscharakter nahm, liegt es nicht. Sie hat sie wieder zum
ernsten Konkurrenten der Straße gemacht. Der Irrweg war, den
Staatsbetrieb vor dem geplanten Börsengang für Investoren kaputt zu
sparen – in einem Moment, als die Reparatur altersbedingter Schäden
mit weniger Aufwand möglich gewesen wäre. Damals hat es den
Verantwortlichen an einer zentralen Einsicht gefehlt: Ein Staat
braucht ein Minimum an garantierter Struktur. Verkehrswege gehören
dazu. Sie bieten der Wirtschaft die Grundlage, sich am Markt gut zu
behaupten und den Menschen die Chance, den Alltag zu bewältigen.

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