Neue OZ: Kommentar zu Urteile / EGH / Schulen / Religion / Kruzifix

Nur ein Kreuzchen?

Ob in Schulen, Gerichten oder anderen öffentlichen Gebäuden, das
Kruzifix an der Wand sorgt immer wieder für Streit. Verstößt ein
Staat, der es akzeptiert, gegen Neutralitätspflichten in religiösen
Fragen? Verletzt er gar Menschenrechte? Der Europäische Gerichtshof
hat diese Frage verneint und ein bemerkenswert vielschichtiges Urteil
gefällt.

Die Kirchen können zufrieden sein, weil es dem einzelnen Staat
überlassen wird, wie er die Dinge regelt. Das Gericht bekennt sich
damit klar zu kultureller und religiöser Vielfalt in Europa. Und es
revidiert frühere Entscheidungen, nach denen ein Kruzifix im
Klassenzimmer „Quelle emotionaler Verstörungen“ sein kann. Doch wie
verträgt sich solch liberales Denken mit der staatlichen Aufgabe,
Frieden zwischen den Religionen zu sichern und selbst unparteiisch zu
bleiben? Hier verlegt sich der Gerichtshof aufs Kleinreden des
Kruzifixes. Obwohl es unzweifelhaft auf das Christentum verweist,
sehen die Richter darin nur ein „passives Symbol“. Oder anders
gesagt: Dem Kreuz wird die Strahlkraft abgesprochen.

Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Zumindest in
Deutschland ist weiterer Streit ums Kreuz programmiert. Schließlich
umfasst die Religionsfreiheit auch das Recht, keiner Religion
anzuhängen. Und dazu gibt es ebenfalls eine höchstrichterliche
Definition: das eindeutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts von
1995.

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