Wann der erste Schuss eines Krieges abgegeben wird,
ist klar. Wann das letzte Geschoss seine Reise antritt, weiß niemand:
Viel spricht dafür, dass der Westen in seinem Bestreben, seiner
Werteordnung weltweit Nachdruck zu verleihen, in Libyen abermals eine
Expedition begonnen hat, deren Ausgang nicht absehbar ist. Der erste
Verlierer dieses Konflikts steht indessen bereits fest: die Nato.
Ungeachtet der heiklen völkerrechtlichen Fragen, die jede
Intervention mit sich bringt, beruht Sicherheitspolitik nicht zuletzt
auf Drohkulissen. Der Fall Libyen zeigt, welche Mühe die Nato hat,
ihnen Taten folgen zu lassen: Drei Tage, nachdem die ersten
Marschflugkörper im Lande Gaddafis einschlugen, geht der Diktator
weiter weitgehend ungehindert gegen die Rebellen vor – und der
Nato-Rat tagt langatmig über die Frage des Kommandos, ohne das die
Nato die derzeit von Frankreich verbal angeführte und von den USA
faktisch dominierte „Koalition der Willigen“ nicht ablösen kann.
Mehrere Einsätze will das Bündnis weltweit parallel führen können, um
in einer zunehmend instabilen Welt einem außerordentlich weit
gefassten Sicherheitsbegriff notfalls mit militärischer Gewalt
Geltung verschaffen zu können – so zumindest der Anspruch der neuen
Nato-Strategie, die gerade vier Monate alt ist. Nun, in der ersten
Bewährungsprobe, präsentiert sich die Allianz vor allem als Bündnis
in der Krise.
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Lothar Tolks
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