LVZ: Kauder: Politisch motiviertes Abschalten der alten Meiler wäre Enteignung / Energiefrage werde von manchen als reiner Selbstzweck diskutiert

Unions-Fraktionschef Volker Kauder warnte vor
einer dauerhaften Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke aus
politischen Gründen. Dies käme einer Enteignung gleich, meinte Kauder
in einem Video-Interview mit der in der Mediengruppe Madsack
erscheinenden „Leipziger Volkszeitung“ (Sonnabend). Zugleich
verteidigte er die vor einem halben Jahr beschlossene
Laufzeit-Verlängerung der deutschen Kernkraftwerke als „richtig“ und
als „bemerkenswerte Kehrtwende“. Der Unions-Politiker sagte: „Wir
wollten mit den längeren Laufzeiten 40 Milliarden Euro gewinnen, um
damit die Erneuerbaren Energien bezahlen zu können und die
Strompreise nicht erheblich nach oben zu treiben. Also in der Sache
war alles richtig. Aber richtig ist auch, dass Politik mit dem
Betrachten der Wirklichkeit beginnt. Und da hat sich seit Japan doch
vieles verändert.“

Jetzt müsse man das dreimonatige Moratorium sinnvoll nutzen, unter
anderem auch mit der entsprechenden Koalitionsarbeitsgruppe. Dabei
gehe es darum: „Wie schnell können wir Erneuerbare Energien
ausbauen? Was muss dafür alles getan werden? Wie sind die
Sicherheitsanforderungen an die Kraftwerke?“ Die ethischen Fragen
lägen in der Ethikkommission, deren Ergebnis bis zum 28. Mai erwartet
wird.

„Die Frage, wie es mit den abgeschalteten Kraftwerken weitergehe,
müsse dabei eine Frage der Sicherheit“ sein. „Es kann keine
politische Entscheidung sein. Das muss nach den rechtlichen
Grundlagen passieren. Eine rein politische Entscheidung wäre eine
Enteignung.“ Es gingen sowieso nicht mehr alle Kernkraftwerke nach
Ablauf des Moratoriums ans Netz. Dabei verwies Kauder auf
Neckarwestheim I, auf den Pannen-Reaktor Krümel und auf Isar I.

Er habe immer gesagt, Energie habe eine dienende Funktion. „Ich
habe manchmal den Eindruck, dass die Energiefrage völlig losgelöst
von allen anderen Fragen als reiner Selbstzweck diskutiert werden
kann. Energie dient dazu, Arbeitsplätze zu erhalten, zu schaffen, die
Wirtschaft voranzutreiben, unseren Wohlstand und auch einen gewissen
Teil an Bequemlichkeit in unserem Leben zu sichern.“ Deshalb habe er
sich für die zuverlässige klimafreundliche Energieversorgung auch
mit Kernkraft ausgesprochen. „Japan hat mir gezeigt, dass eine
Industrienation, hochtechnologisiert, nicht in der Lage ist, mit so
etwas umzugehen. Die Bilder sind ja furchtbar, die wir heute noch
jeden Tag erleben“, meinte Kauder. „Damals war ich der klaren
Auffassung, es ist verantwortbar und vertretbar, die Kernkraftwerke
länger laufen zu lassen. Es gibt Ereignisse im Leben, da ist nachher
nichts mehr so, wie es vorher war. Und da muss man auch darauf
reagieren.“ Wenn man wirklich die Behauptung aufstellen wolle, man
könne nicht auch zu einer Erkenntnis kommen, „dann wäre das ganz
fatal“, meinte Kauder. „Und wenn man Politiker darauf festlegen
wollte – erkenne nie, dass du auch einmal eine Fehleinschätzung
gemacht hast, sondern bleibe immer bei deiner Meinung – das wäre ja
hirnrissig.“

Beim jetzt fälligen Ersatz der Kernkraft müsse die Gesellschaft
abwägen, welches Risiko sie tragen wolle. „Ich bin der Meinung, dass
wir auf keinen Fall mehr Kohle einsetzen können, um Strom zu
erzeugen, weil der Klimawandel doch eine der größten Herausforderung
für uns alle ist. Da kann man nichts machen.“ Er wolle schneller in
die Erneuerbare Energie und für eine Übergangszeit vielleicht dann
mit Gas. „Aber am liebsten wäre mir, wenn wir keine zusätzlichen
fossilen Energieträger bräuchten“, meinte Kauder.

Das komplette Interview als Video und im vollen Wortlaut ist zu
finden unter: http://www.madsack-im-gespraech.de

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