Lausitzer Rundschau: Zählung der Wutbürger

Der Zensus 2011 hat begonnen

Die große Volkszählung 1981 scheiterte an den
Wutbürgern, von denen es damals noch mehr gab als heute. Und auch bei
der deutlich abgespeckten Durchführung 1987 war der Widerstand der
Boykotteure erheblich. Der Staat wollte wissen, wie groß das
Staatsvolk war, doch das Volk vermutete andere Absichten dahinter,
nämlich Kontrolle und Überwachung. Big Brother. Der Fragebogen war
allerdings auch entsprechend. Die damalige Anti-Volkszählungsbewegung
war im Westen Deutschlands im Grunde die Geburtsstunde des
Datenschutzes und bescherte den Bürgern das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem
Volkszählungsurteil formulierte. Dieser Widerstand hat sich
tatsächlich gelohnt. Am Montag war der Stichtag für den Zensus 2011,
also der Tag, von dem die Statistiker wissen wollen, wie viele
Deutsche an ihm exakt in wie vielen Häusern, Heimen oder Wohnungen
leben, welcher Religion sie angehören, welche Qualifikation sie haben
und welcher Arbeit sie an welchem Ort nachgehen. Das Ziel ist das
Gleiche wie damals, doch die Verantwortlichen haben aus dem
Widerstand der 80er-Jahre offenbar erheblich gelernt. Sie
kooperierten schon in der Vorbereitungsphase mit den Kritikern und
halten das Ausmaß der Befragung auf niedrigem Niveau, indem sie
amtliche Statistiken mit heranziehen. Sie garantieren zudem, dass der
Staat von den Angaben der Einzelnen nichts erfährt und lassen die
sensible Frage nach der Religion freiwillig beantworten. Zwar gibt es
auch jetzt Bedenken, etwa an der vierjährigen Aufbewahrung der Daten,
doch klingen die eher wie kleinteilige Mäkelei. Wenn es keinen
bewussten Gesetzesverstoß der Statistiker gibt, den man nicht
unterstellen kann, dann ist diese Volkzählung datenschutztechnisch
gesehen ziemlich sauber. Wer sich seiner Auskunftspflicht trotzdem
verweigert, muss schon ein starkes Feindbild vom Staat haben, das an
Irrationalität grenzt und auch destruktiv ist. Denn dies ist der
Staat aller Bürger. Es ist sinnvoll, dass wenigstens alle 25 Jahre
die Bewohnerstatistiken von Bund, Ländern und Gemeinden auf den
neuesten Stand gebracht werden, damit die Planer von Infrastruktur
und Sozialeinrichtungen exakte Basisdaten haben. Das dient allen. Was
die informationelle Selbstbestimmung heutzutage wirklich gefährdet,
wird hingegen auch von den engagiertesten Volkszählungsgegnern
ständig selbst ziemlich bedenkenlos genutzt: Das Handy, das jede
Bewegung registriert, oder der Computer, der alle Suchanfragen zu
einem Profil persönlicher Interessen bündeln kann. Anonym,
privatwirtschaftlich und außerhalb jeder Kontrolle.

Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de