Neues Deutschland: Lokführerstreik

Das Vorgehen der Gewerkschaft Deutscher Lokführer
(GDL) ist brutal und fast schon verbrecherisch. Italienische
Streikmethoden sind das! Die wild gewordenen Streikrabauken nehmen
Bahnkunden in Geiselhaft. So tönten die Kommentarspalten als Reaktion
auf den letzten Lokführerstreik. Spricht eigentlich irgendjemand von
einer »Geiselhaft der Kunden«, wenn Supermärkte bestreikt werden?

Das Getöse im Blätterwald zeigt, wie weh der Lokführerstreik tut
und wie erfolgreich er potenziell ist. Ein Streik, der nicht weh tut,
bringt nichts. Dabei ist die Debatte typisch deutsch: Schön ruhig und
ordentlich soll es zugehen. Ein bisschen Streik? Ja bitte, das steht
schließlich im Gesetz. Bloß merken soll der deutsche Michel davon
nichts, es höchstens abends in der Tagesschau sehen und sich
moralisch auf der richtigen, der solidarischen Seite wähnen.

Da wird es komplexer. Was heißt Solidarität? Ist die Gesellschaft
solidarisch mit den Streikenden? Ist die DGB-Konkurrenzgewerkschaft
EVG solidarisch mit den Lokführern? Und ist die GDL solidarisch mit
den Zugbegleitern, die überwiegend in der EVG organisiert sind?
Letztgenannte Frage müssen sich die Berufsgewerkschaften – ob Ärzte,
Piloten oder eben Lokführer – immer wieder stellen lassen. Sie stehen
unter Egoismusverdacht. Die DGB-Gewerkschaften tun sich dagegen
keinen Gefallen damit, gegen die kleinen, kampfstarken Organisationen
zu wettern, wo sie können. Denn dieser Streit nützt letztlich nur den
Arbeitgebern.

Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion

Telefon: 030/2978-1715