„Man hält die Opfer hin“ / Unionspolitiker kritisiert katholische Kirche wegen Entschädigungszahlungen an Opfer in Oberharmersbach

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen
Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), äußert Kritik an der
Vorgehensweise der katholischen Kirche in Bezug auf
Entschädigungszahlungen für Opfer im baden-württembergischen
Oberharmersbach und wirft der Kirche eine Art Verzögerungstaktik vor.
Gegenüber „Report Mainz“ sagt Kauder: „Man hält die Opfer hin. Das
halte ich für eine katastrophale Folge einer Straftat mit psychischen
Konsequenzen für das Opfer, die nicht sein dürfen, die eine Kirche
nicht in Kauf nehmen darf.“ Auf die Frage, ob die katholische Kirche
hier ihren moralischen Ansprüchen gerecht werde, antwortet Kauder:
„Ich glaube eher nicht. Ich bin auch der Meinung, dass die Kirche
diese Linie nicht lange wird durchhalten können.“

Im baden-württembergischen Oberharmersbach hatte ein katholischer
Pfarrer von 1968 bis 1991 mindestens 22 Kinder und Jugendliche zum
Teil jahrelang missbraucht. An einem Opfer verging sich der
Geistliche rund 900-mal. Die Gepeinigten leiden an den Folgen der
Straftaten. Dem ARD-Politikmagazin berichteten sie von ständigen
Albträumen. Auch seien sie beziehungsunfähig. „Wenn ich eine
Beziehung eingehen will, dann habe ich gleich wieder Angstgefühle,
Panikzustände, dass wieder ein anderer Kontrolle über mich erlangen
könnte“, sagte ein Opfer im Interview mit „Report Mainz“.

Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins „Report Mainz“ versuchen
acht der Opfer seit Mai 2010 über einen Rechtsanwalt von der
katholischen Kirche eine finanzielle Anerkennung zu erhalten. Ihr
Rechtsanwalt, Ingo Lenßen, berichtet „Report Mainz“ von schleppenden
Verhandlungen mit den Kirchenvertretern. „Wir sind immer wieder
vertröstet worden, es sind immer wieder neue Fristen gesetzt worden,
die wir abzuwarten hätten, auf die dann Antworten erfolgen sollten“,
so Lenßen. Bis zum heutigen Tage sei keine zufriedenstellende Antwort
erfolgt. Erst im März 2010 gab es das erste konkrete Angebot. 5.000
Euro sollte jedes Opfer erst einmal bekommen. Gegenüber „Report
Mainz“ äußerte sich ein Betroffener verbittert: „Wenn ich daran
denke: 5.000 Euro für 400-maligen Missbrauch. Das sind dann zehn,
elf, zwölf Euro pro Nummer mal grob über den Daumen gepeilt. Das ist
dann eine ganz billige Nummer.“

Auf Anfrage von „Report Mainz“ betont die katholische Kirche
schriftlich, dass das Hilfspaket der Bischofskonferenz nicht auf die
materielle Anerkennungsleistung von 5.000 Euro reduziert werden
dürfe. So zahle man zum Beispiel auch Psychotherapien. In besonders
schwierigen Fällen seien auch zusätzliche Leistungen möglich. Weiter
betont die Kirche: Sie prüfe jeden Antrag unbürokratisch, aber
eingehend.

Zitate gegen Quellenangabe frei. Bei Fragen wenden Sie sich bitte
an „Report Mainz“, Tel.: 06131/929-3351.