Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
Volker Kauder hat gemeinsam mit dem ehemaligen Bundeskanzler der
Republik Österreich, Wolfgang Schüssel am heutigen Dienstag in einem
in der Neuen Züricher Zeitung erschienen Beitrag zu den Chancen des
Umbruchs in der arabischen Welt Stellung genommen.
Der Beitrag hat den folgenden Wortlaut:
„Mit Bewunderung verfolgen wir den politischen Umbruch der
arabischen Welt. Mutig setzen die Menschen in Ägypten, Tunesien,
Marokko, Algerien, Syrien und Libyen ein Zeichen für Freiheit,
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Es könnte der Beginn eines
epochalen Umbruchs in der gesamten arabischen Welt sein. Wir in
Europa müssen daher die Bürger in diesen Ländern weiter unterstützen,
damit sie am Ende ihre Ziele erreichen. Die Freiheitsbewegungen in
Ägypten und Tunesien können zum Vorbild für alle arabischen Länder
werden, gerade dort, wo derzeit Proteste brutal niedergeschlagen
werden.
Das Geschenk der Freiheit mussten wir Deutsche und Österreicher im
vergangenen Jahrhundert immer wieder neu erringen. Wir wissen daher
um ihren Wert. Es liegt aber auch in unserem ureigenen Interesse,
wenn in der arabischen Welt die Demokratie siegt. Von innen heraus
gefestigte Demokratien sind die verlässlichsten Partner Europas.
Wirkliche Freiheit und Demokratie umfassen aber auch, wie wir
bereits in einem gemeinsamen Beschluss unserer Fraktionen betont
haben, immer die Freiheit der Religionen. Hier erfüllen uns jüngste
Entwicklungen in Ägypten mit Sorge. Anfang Mai gelang es radikalen
islamistischen Kräften, einen Mob gegen die Kopten im Kairoer
Stadtteil Imbaba aufzuwiegeln. Zwölf Menschen – Christen und Muslime
– starben, zwei Kirchen brannten aus. Ziel der Islamisten ist es,
Hass und Gewalt zwischen den Religionsgemeinschaften zu schüren und
so Ägypten an seinem Übergang zur Demokratie zu hindern. Darunter
würden insbesondere die Kopten leiden – bilden sie doch mit zehn
Prozent eine der religiösen Minderheiten in Ägypten.
Als christliche Politiker treten wir für Toleranz gegenüber allen
Religionen ein. Naturgemäß liegt uns das Schicksal der Kopten in
Ägypten besonders am Herzen. Das geschieht auch mit Blick auf das
Schicksal von Christen in anderen Umbruchstaaten des arabischen Raums
und des mittleren Ostens, wie im Irak oder in Syrien. Wir appellieren
daher an die Verantwortlichen in Ägypten, die Christen in ihrem Land
zu schützen und ihre Bemühungen für Sicherheit und religiöse Freiheit
zu verstärken. Das friedliche Zusammenleben von Muslimen, Christen
und Juden ist entscheidend für die weitere Entwicklung Ägyptens zu
Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Ermutigend waren die Bilder vom Tahrirplatz, als Christen Muslime
beim Freitagsgebet und umgekehrt Muslime Christen während der
Sonntagsmesse bewachten. Das damals spürbare Gefühl der Einheit, von
dem viele Ägypter berichten, sollte auch die Beratungen über die neue
ägyptische Verfassung prägen. In ihnen wird auch das Verhältnis von
Staat und Religion neu zu bestimmen sein. Bisher bildete die Scharia
die Grundlage des ägyptischen Rechts. Dies öffnete der
Diskriminierung nicht-islamischer Gruppierungen Tür und Tor. Kopten
beklagen, in der Vergangenheit als Bürger zweiter Klasse behandelt
und alltäglichen Diskriminierungen ausgesetzt gewesen zu sein.
Viele Menschen in Ägypten wünschen sich daher eine moderne
Verfassung, die die Religionsfreiheit und damit ein freiheitliches
Leben gewährleistet. In der Praxis muss dann die Stellung der Kopten
als gleichberechtigte Bürger gewährleistet werden. Maßstab sind hier
die universellen Menschenrechte. In unseren Gesprächen mit
ägyptischen Politikern, die wir auch in Zukunft fortsetzen wollen,
werben wir hierfür. Das sollten auch unsere Regierungen tun.
Wir müssen aber noch weiter gehen. Toleranz und Menschlichkeit
gedeihen am besten in Wohlstand und Prosperität. Gemeinsam mit
unseren Partnern in Europa und in der G8 engagieren wir uns durch
finanzielle Hilfen und in Projekten bei wirtschaftlichen und sozialen
Reformen ebenso wie beim Aufbau staatlicher Institutionen. Dabei
können wir es aber nicht belassen.
Gerade der jungen Generation – den Protagonisten des Wandels –
müssen wir Angebote machen, zum Beispiel indem wir Ausbildung und
Bildungseinrichtungen in Ägypten und Tunesien stärken. Viel gewonnen
wäre, wenn wir das Engagement der europäischen Auslandsschulen
stärken würden. Wir wollen aber noch einen Schritt weiter gehen und
konkrete partnerschaftliche Kooperationen deutscher und der
österreichischer Unternehmen vorschlagen. Ägypten und Tunesien
verfügen zum Beispiel über eine hohe Zahl junger ausgebildeter
Ingenieure, die aufgrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit in ihren
Ländern keine Praxiserfahrung sammeln können. In einem klar
geregelten Fortbildungs- und Visumsprogramm könnten sie dies in
unseren Ländern tun, zum Beispiel durch Praktika in Unternehmen.
Nach ihrer Rückkehr könnten sie Betriebe eröffnen und
Arbeitsplätze schaffen. Als Freunde Europas und seiner Werte wären
sie Botschafter der Toleranz, wie sie in unseren Ländern herrscht.
Dabei können sie nicht nur in ihren Ländern wirken, sondern in der
gesamten arabischen Welt.“
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