NRZ: Kein Opfer ist vergessen – Kommentar zum Jahrestag der Loveparade-Katastrophe. Von Rüdiger Oppers

Ein Jahr ist seit der Loveparade-Katastrophe
verstrichen. Kein Opfer, kein Moment des schrecklichen Geschehens ist
vergessen. Viele Menschen in unserem Land sind in diesen Tagen des
Gedenkens emotional aufgewühlt. Wieder stellt sich das wütende Gefühl
ein: Dieses Unglück wäre vermeidbar gewesen. Trauer um die Toten,
Mitgefühl für das Leid der Angehörigen, Hilfe für die traumatisierten
Opfer; das muss nun im Mittelpunkt stehen. Die Bürger Duisburgs sind
nach dem 24.7. nie zur Tagesordnung übergegangen. Sie konnte und
durften es nicht, weil viele sich vor ihrer politischen und
moralischen Verantwortung drücken.

So entstand der Eindruck bestürzender Gleichgültigkeit bei
Organisatoren, Veranstaltern und Vermarktern. Politik und ethisches
Verhalten, Anstand, das war im Jahr nach der Katastrophe in Duisburg
oft ein Widerspruch. Der „erste Bürger“ der Stadt glaubt, er sei zum
Sündenbock gemacht worden, was wiederum offenbart, worum es Adolf
Sauerland in erster Linie geht: um sich selbst. Selbstmitleid ist
seine Reaktion auf die größte Katastrophe in seiner Stadt. Nun hat er
sich sogar dafür entschuldigen müssen, dass er sich zu spät
entschuldigt hat. Sein Marsch durch die Fettnäpfe will einfach kein
Ende nehmen. Den Bürgern kann er nur noch einen Dienst erweisen und
sein Amt niederlegen.

Aber es geht nicht um eine Person, die in ganz Deutschland zu
einer Symbolfigur für verantwortungslose Politik geworden ist,
sondern um die Opfer. Sie wären vergessen und verloren, würden wir
nicht Konsequenzen aus der Tragödie ziehen. Deshalb dürfen wir nicht
zulassen, dass die Akteure sich einfach durch Aussitzen aus der
Affäre ziehen. Am Ende werden dafür die Gerichte sorgen. Es wäre eine
weitere Schande, würde der Ort der Tragödie nicht eine Gedenkstätte,
sondern – unvorstellbar – Teil eines Einkaufszentrums werden.

Weil die Loveparade zum „Totentanz“ wurde, wie Präses Nikolaus
Schneider es genannt hat, ist nicht die Freude am Feiern verboten –
auch nicht in Duisburg. Aber Veranstalter sollten zukünftig auch die
Unkultur der Mega-Events, die vor allem nach Masse und Quote streben,
hinterfragen. Unsere Spaßgesellschaft hat zu einem kritiklosen
Rekordstreben geführt, das vorgaukelt, nur ein Ereignis mit Millionen
Besuchern sei wirklich bedeutend.

In Duisburg muss das Leben weitergehen. Voller Stolz können die
Bürger auf ihre Rhein-Ruhr-Metropole blicken, die in vielen Bereichen
vorbildlich ist: Weltoffenheit, Toleranz, Mut, Unternehmungsgeist –
auch diese Begriffe charakterisieren die Rhein-Ruhr-Metropole. Wegen
des Trauerspiels Loveparade und des katastrophalen Verhalten eines
Politikers darf nicht eine ganze Stadt dauerhaft verpönt sein.

Rüdiger Oppers

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