Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel der Mittelbayerischen Zeitung (Regensburg) zu CSU und Seehofer

Seehofer lässt warten

Der Ministerpräsident verordnet seiner Partei Ruhe, denn für
Aktionismus ist er selbst zuständig.

Kronprinzessinnen und Kronprinzen müssen sich gedulden. Horst
Seehofer, CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident, versprach in
der vergangenen Woche dem neuen bayerischen Städtetagspräsidenten
Ulrich Maly, dass er es ihm ersparen wolle, sich während seiner
dreijährigen Amtszeit auf einen neuen Regierungschef einstellen zu
müssen. Bei der Schlusssitzung des Landtags kündigte er davor gut
gelaunt sogar an, dass er in den Sommerferien ein Buch mit dem Titel
„Wie leben wir im Jahr 2030“ lesen wolle. Die Botschaft lautet:
Seehofer hat Spaß an seinen Ämtern, er will bei der Landtagswahl 2013
wieder antreten und sogar eine darüber hinaus gehende
Spielzeitverlängerung wird nicht kategorisch ausgeschlossen. Seehofer
hat den Job des Ministerpräsidenten schätzen gelernt. Zunächst
fremdelte der gelernte Bundespolitiker in München etwas, die Politik
im Maximilianeum erschien ihm schon arg bescheiden im Vergleich zum
Geschehen im Reichstag in Berlin. Noch dazu galt es, zuerst die
Trümmer der Vergangenheit wegzuräumen, die Landesbankaffäre
durchzustehen und sich mit einem Koalitionspartner FDP notgedrungen
zu arrangieren. Mittlerweile hat Seehofer gemerkt, dass die Liberalen
seine Kreise nicht allzu sehr stören. Dem Ministerpräsidenten gilt
die Aufmerksamkeit und nicht seinem Vize Martin Zeil. Noch dazu kann
Seehofer von München aus weiter kräftig in Berlin mitmischen. In
diesem Sommer hätte er zum Beispiel gerne Ruhe, ausdrücklich lobt er
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die schwarz-gelbe Bundesregierung.
Wer querschießt, wie der frühere CSU-Parteivorsitzende Erwin Huber,
muss mit einem Rüffel rechnen. Doch für den Herbst kündigt er als
Chef im Ring bereits wieder Attacken an. Die Pkw-Maut müsse kommen,
bayerische Themen verstärkt in den Berliner Politikbetrieb
einfließen. Wer das für die CSU machen soll? Natürlich er selbst! Der
potenzielle Konkurrent Karl-Theodor zu Guttenberg ist weg, die neue
CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt muss erst noch an
Statur gewinnen und die CSU-Minister im Kabinett Merkel sind vollauf
damit beschäftigt, zumindest ihren jeweiligen Laden in Schuss zu
halten. Da muss der Chef selber ran – zumindest nach seiner
Selbsteinschätzung. Seehofer kann Selbstbewusstsein zeigen, weil die
CSU keine personelle Alternative hat. Trotz vieler Kritik hat
Seehofer die Frauenquote in der Partei durchgesetzt. Fleißig reist er
in diesen Tagen von Bezirksparteitag zu Bezirksparteitag. Er
vermittelt bei den zerstrittenen Parteifreunden in Augsburg und lobt
gönnerhaft andernorts neue und alte Bezirksvorsitzende. Zwar halten
ihm Freunde und Gegner vor, er sei sprunghaft, ja ein politischer
Spieler, doch Seehofer stört das nicht weiter. Er handelt nach dem
alten Stoiber-Motto: Lieber in den Schlagzeilen als gar nicht
erwähnt. Doch wohlmeinende Parteifreunde vermissen zu Recht die große
Linie. Es ist nicht erkennbar unter welchem Leitgedanken Seehofers
Politik steht. Sie warnen: Populismus allein reicht auf Dauer nicht.
Und so gilt das Urteil: Die CSU braucht ihren Vorsitzenden – aber sie
liegt ihm keineswegs so zu Füßen wie einst Strauß oder Stoiber.
Erleichtert wird Seehofer das Regieren in Bayern durch das
Durcheinander in der Villa Kunterbunt der Opposition. Die SPD würde
gerne ein Gegenbündnis schmieden, doch da manche bei den Freien
Wählern und den Grünen es sich durchaus vorstellen könnten, dereinst
an der Seite von Seehofer zu regieren, wird aus dem oppositionellen
Dialog nichts werden. Seehofer kann es nur recht sein, notfalls über
mehrere Koalitionsoptionen zu verfügen. Noch dazu ist er sich sicher:
Ich kriege jeden anderen Partner genauso klein, wie ich es mit den
Liberalen geschafft habe. Also geht der Ministerpräsident gelassen in
die Sommerferien. Ohne ihn brennt sowieso nichts an, denn der größte
politische Zündler in Bayern ist immer noch Seehofer selbst.

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