Westdeutsche Zeitung: Steuersenkung = von Martin Vogler

Angela Merkel, Horst Seehofer und Philipp
Rösler erhielten gestern Spott und Prügel für ihren mühevoll
gefundenen Kompromiss in Sachen Steuersenkung & Co. Sogar wer das
Vorhaben im Prinzip begrüßte, der bemängelte, dass die geplanten
Erleichterungen für die Bürger zu niedrig ausfallen. Das muss für die
Mutter und die Väter des Kompromisses frustrierend sein.

Doch daran tragen sie auch selbst die Schuld. Denn zu lange
stritten sie ohne Rücksicht auf die angeblichen politischen Freunde,
zu lange schien jeder nur seine Klientel im Blick zu haben – und zu
lange vergaß man dabei, sich mit der fundamentalen Kritik der
Opposition intensiv auseinander zu setzen. Diese kritisierte vorher –
und jetzt erst recht, dass angesichts der kritischen Schuldenlage des
Staates keine Luft für Steuersenkungen sei. Dieser Logik kann man
folgen, andererseits hätte die Regierung auch sehr gute Argumente für
ihre Pläne gehabt, die sie nicht wirkungsvoll genug ausspielte. Denn
Konjunkturbelebung dank mehr Kaufkraft und die Milderung der
leistungsfeindlichen und ungerechten „kalten Progression“ sind schon
beachtenswerte Begründungen.

Jetzt kann die Regierung argumentativ nur noch hinterherhecheln.
Und steht wahrscheinlich sowieso auf verlorenem Posten. Denn wenn die
Opposition geschlossen die Zustimmung verweigert, nicht alle
CDU-Ministerpräsidenten konsequent dahinter stehen und sich auch noch
das Verfassungsgericht damit beschäftigen muss, dann stehen die
Chancen für eine Umsetzung der Steuerpläne schlecht. Die fatale Folge
könnte sein: Es wird nur die Erhöhung der Pflegeversicherung
umgesetzt, während die Steuerentlastung ausfällt. Unter dem Strich
wäre das für den Bürger ein mieses, weil teures Geschäft.

Auch die weniger spektakulären Elemente des Kompromisses lohnen
einen Blick: Eine geringere Einkommensgrenze für ausländische
Facharbeiter täte der Wirtschaft gut. Kritisch hingegen ist der
CSU-Wunsch, Betreuungsgeld für Kleinkinder zu zahlen, die keine
Krippen besuchen. In heilen Strukturen des Bayrischen Waldes mag das
funktionieren. Bei bildungsfernen Familien oder solchen mit
Migrationshintergrund wäre es fatal für die Entwicklung der Kinder,
wenn sie zu Hause blieben, weil ihre Eltern das sogar honoriert
bekommen.

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