WAZ: Ohren zu und durch. Kommentar von Frank Preuß

Der Knopf im Ohr, er kann lebensgefährlich sein.
Auch wenn Statistiken über Unfälle dazu bislang nicht existieren:
Dass Fußgänger oder Radfahrer sich und damit auch andere auf Straßen
mit Kopfhörern größeren Risiken aussetzen als ohne, leuchtet ein. Und
Menschen, die wie ferngesteuert umherlaufen, sind keine Erfindung des
Verkehrsministers in Berlin. Jeder kennt sie. Die akustische
Berieselung funktioniert eben nicht nur als Alltagsflucht, als
Schutzschild gegen unerwünschte Sinnesbelästigungen in der
Öffentlichkeit, sondern auch als verhängnisvolle Ablenkung vom
Verkehrsgeschehen. Die leichte Trance, in die man beim Hören der
Lieblingsmusik schnell gerät, sie wird vermutlich unterschätzt.
Steigt die Zahl der Verkehrstoten und sei es nur, weil wegen guten
Wetters mehr Menschen unterwegs sind, muss der zuständige Minister
etwas sagen, und das tut er. Peter Ramsauer belässt es in der
Kopfhörer-Frage bei ministerialen Warnungen und Ermahnungen, anstatt
in traditioneller deutscher Übergründlichkeit mit Verboten zu drohen,
deren Einhaltung ohnehin kaum zu überprüfen wäre. Das ist gut so,
denn solange kein Zahlenmaterial vorliegt, bewegt Ramsauer sich auf
dünnem Eis. Appelle an die Vernunft leben indes vom Optimismus, dass
es mit der Vernunft weit genug her ist. Daran darf man ja manchmal
zweifeln.

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