Man mag das Betreuungsgeld für sinnlose
Mittelverschwendung und eine gesellschaftspolitisch schädliche Idee
halten. Dennoch besteht auch für schärfste Gegner kein Grund, sich
über das Geschehene zu freuen. Der Hammelsprung inklusive Abbruch der
Bundestagssitzung hat zwar dazu geführt, dass sich das Projekt
Betreuungsgeld bis in den Herbst verzögert. Was auch bedeuten kann,
dass der Plan wegen des weiter gewachsenen Widerstands keine Mehrheit
im Bundestag findet. Allerdings ist der Schaden, den die Trickserei
der Opposition angerichtet hat, gewaltig und nicht zu rechtfertigen.
Das ist ein Tiefschlag für die Demokratie.
Schon bislang nehmen viele Bürger das politische Geschehen
überwiegend als infantile Wortgefechte in Fernseh-Talkshows wahr. Das
Image des Politikers ist am Boden. Manch kluger Kopf schreckt vor
diesem vermeintlich schmutzigen Geschäft zurück, so dass die Gefahr
der zweitklassigen Besetzung in Schlüsselpositionen unseres
Gemeinwesens droht.
Vor diesem Hintergrund ist es fahrlässig, was gestern im Bundestag
geschah. Der Bürger schüttelt den Kopf, wundert sich über das
kindergartenreife Theater und flüchtet sich noch ein Stück weiter in
seine Politikverdrossenheit. Auch wenn die Opposition alles als ganz
normalen und den parlamentarischen Regeln entsprechenden Vorgang
sieht und sich wegen des Teilsiegs in Sachen Betreuungsgeld und der
Blamage für die Koalition erfreut die Hände reibt: Der Zweck heiligt
nicht die Mittel.
Zwei weitere Aspekte lassen beide Seiten zudem nicht gut aussehen:
Hatten SPD und Grüne ihr Manöver mit der amtierenden
Sitzungspräsidentin vorher ausgeklüngelt? – Das wäre mit Petra Pau
ausgerechnet eine Linke gewesen. Und wenn es sich bewahrheitet, dass
Familienministerin Kristina Schröder die Abstimmung verpasste, zeugt
das von reichlicher Unbedarftheit.
Ganz nebenbei hat die Opposition auch der Mär von den faulen und
dazu noch überbezahlten Politikern Nahrung gegeben. Der Eindruck, die
meisten seien Freitagmittag frühzeitig ins Wochenende abgereist,
statt in Berlin ihre Pflicht zu tun, setzt sich fest. Dass viele
Mandatsträger in Wahrheit wegen anderer Verpflichtungen und Arbeit in
ihrem Wahlkreis unterwegs sind, fällt unter den Tisch.
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