Weser-Kurier: Zum Brechmittel-Urteil schreibt der „Weser-Kurier“ in seiner Ausgabe vom 21. Juni 2012:

Der Fall von Laye-Alama Condé, der 2004 im
Polizeigewahrsam nach einem Brechmittel-Einsatz starb, schreibt
völlig zu Recht Justizgeschichte. Selten haben sich Deutschlands
oberste Richter gleich zweimal mit dem selben Fall beschäftigen
müssen. Siebeneinhalb Jahre nach dem tödlichen Einsatz hob gestern
der Bundesgerichtshof den Freispruch aus dem Juni 2011 für den damals
zuständigen Arzt erneut auf. Nun muss der grausame Tod des Afrikaners
aus Sierra Leone ein drittes Mal vor dem Bremer Landgericht
verhandelt werden. Damit werden die Richter des Bundesgerichtshofes
diesem ungeheuerlichen Fall gerecht. Der unter Zwang durchgeführte
Brechmitteleinsatz sei „ganz und gar unerträglich gelaufen“, hieß es
gestern in Leipzig. Der Arzt habe pflichtwidrig gehandelt, als er die
Prozedur, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2006
übrigens als unmenschlich und erniedrigend bewertete, nach dem
Zusammenbruch des Opfers fortsetzte. Deutliche Worte, hinter die man
als juristischer Laie am liebsten zehn Ausrufezeichen setzen möchte.
Denn das ein gefesselter Mann unter den Augen von zwei Polizisten,
einem Notarzt und dem zuständigen Arzt aufgrund der quälenden
Zwangsbehandlung ins Koma fällt und wenig später stirbt und niemand
dafür die Verantwortung tragen soll, lässt einen all die Jahre ratlos
und fassunglos zurück. Dass Condé ein mutmaßlicher Kleindealer war,
der tatsächlich Kokainkügelchen verschluckt hatte, steht dabei auf
einem ganz anderen Blatt. Der gewaltsame Tod eines Menschen in einem
deutschen Polizeipräsidium ist eine Ungeheuerlichkeit, kein Unfall.
Die Beweisführung auf Grundlage vieler sich widersprechender
medizinischer Gutachten war äußerst schwierig. So ist der häufig
geäußerte Vorwurf des Rassismus schnell dahin gesagt, wird aber den
Akteuren nicht gerecht. Mit dem gestrigen Urteil hat der BGH nun die
Richtung für die nächste Schwurgerichtskammer vorgeben.

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