Westdeutsche Zeitung: Paul Kirchhof gibt ungewöhnliche aber wertvolle Impulse – Wenn die Schulden den Staat auffressen Ein Kommentar von Martin Vogler

Paul Kirchhof ist wieder da. Er hat ein Buch
geschrieben. Seine Thesen dürften nicht nur bei Insidern wie
Politikern und Steuerexperten zu lebhaften Diskussionen führen. Denn
der ehemalige Verfassungsrichter hat sehr gründlich über die
Verschuldung der Öffentlichen Hand nachgedacht und bietet
überraschende und klare Lösungen, aber auch Ideen, die für
Konservative wie ihn verblüffen.

Ein Blick zurück hilft: Vor rund sieben Jahren bemühte sich die
Politik – übrigens relativ erfolglos – das nervige Steuer-Wirrwarr zu
beseitigen. Friedrich Merz blieb mit seiner Idee „Steuererklärung auf
Bierdeckel“ in Erinnerung. Und Kirchhof verblüffte mit einer
übersichtlichen Lösung in Sachen Steuertarife. Statt der
komplizierten Progression propagierte er sogenannte Grenzstufen, so
dass es nur Steuersätze von 15, 20 oder 25 Prozent geben sollte. 2005
wurde er vor der Wahl sogar als Finanzminister für Angela Merkels
Kabinett gehandelt und von deren Gegenspieler Gerhard Schröder
spöttisch als „der Professor aus Heidelberg“ herabgewürdigt.

Was er jetzt vorschlägt, ist leider nicht ganz so einfach wie
damals. Ihn treibt die Angst um, der Staat könnte angesichts der
ständig wachsenden Schulden handlungsunfähig werden, weil ein großer
Teil seiner Einnahmen für Zins und Tilgung drauf gehen. Sein Rezept
dagegen nennt er „konzeptionelles Sparen“. Das ist wichtig, mutig und
geht weit über das hinaus, was die Politik bisher getan hat.

Seine Vorschläge, den Staat schlank und kraftvoll zu machen und zu
einer Null-Neuverschuldung zu kommen sowie den Unternehmen mehr
Freiheit zu gewähren, können helfen. Er glaubt sogar an einen raschen
Abbau der Staatsverschuldung. Das sind wichtige Ziele, für die sich
Nachdenken und somit intensives Beschäftigen mit Kirchhofs Thesen
lohnt.

Wobei Nachdenken nicht blindes Folgen bedeutet. Etwa, wenn auch er
das populäre aber unlogische Familiensplitting befürwortet, spricht
nicht der Steuerrechtler, sondern der Fan intakter Familien. Auch
sein Plädoyer für eine Finanztransaktionssteuer und eine
Vermögensteuer scheint – gelinde ausgedrückt – nur bedingt zu
Kirchhofs bisherigen Positionen zu passen. Denn das wären starke
Reglementierungen.

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