NRW knöpft sich die Kunden von vier Schweizer
Großbanken vor. Die Staatsanwaltschaften Bochum, Düsseldorf, Aachen
und Münster ermitteln, ob Deutsche, die ihr Geld bei UBS, Coutts,
Merrill Lynch und Julius Bär in der Schweiz angelegt haben, gegen
Steuergesetze verstoßen haben. Soweit, so richtig – zumindest nach
landläufigem Rechtsverständnis. Schließlich rechtfertigt der Zweck
die nicht unbedingt rechtsstaatlichen Mittel beim Deal mit
Datendieben. Auch die Festnahme eines Angestellten der Privatbank
Julius Bär ändert nichts an diesem Grundmuster. Und tatsächlich muss
niemand Mitleid haben mit den angeblich vielen hundert Steuersündern,
die ertappt werden. Sympathie benötigen auch nicht die vielen
Tausend, die per Selbstanzeige reinen Tisch machen. Nicht einmal der
Schaden für das ganz normale und vollkommen legale Geschäft Schweizer
Banken mit deutschen Kunden muss in NRW irgendjemand erschüttern.
Absolut unsauber ist dagegen, dass es mehr und mehr zu einer
Vermischung von Betrugsermittlungen und Politik kommt. Kaum ein
prominenter Sozialdemokrat, der in den jüngsten Tagen nicht zum
CD-Großeinkauf aufgerufen hätte, was der internationale Hehlermarkt
so hergibt. Insbesondere das provozierte Scheitern des
Steuerabkommens mit der Schweiz ist so ein Spiel über Bande, das mit
moralisierender Attitüde mehr Schaden anrichtet als es Nutzen bringt.
NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sieht das natürlich
anders. Er rechnet vor, dass der deutsche Staat durch angekaufte
Daten bereits 2,8 Milliarden Euro eingenommen habe, während das
Steuerabkommen mit der Schweiz angeblich nur für 1,7 Milliarden Euro
gut sei. Will uns der NRW-Kassenwart damit sagen, dass künftig
Datendeals mit illoyalen Bankmitarbeitern an Stelle ordentlicher
zwischenstaatlicher Regelungen treten? Walter-Borjans jedenfalls
freut sich: »Da die Schweiz nicht nachverhandeln will, ist dieses
Abkommen tot.« Solcherart in Hochstimmung reiste er nur zu gern in
die vermeintliche Höhle des Löwen an, die »Arena« des Schweizer
Fernsehens. Der Ruf, den die Uhrmacher des Landes aufgebaut hätten,
werde von eidgenössischen Finanzakrobaten wieder kaputtgemacht, ließ
der NRW-Recke verlauten – und rauschte ab ins heimische
Finanzministerium. Gut so, denn in NRW hängen gleich zwei
Landeshaushalte trotz lebhaft sprudelnder Steuerquellen noch ziemlich
in den Sielen. Zum einen gibt es noch keinen gültigen Etat für das
laufende Jahr. Zeitgleich muss das Zahlenwerk für 2013 aufgestellt
werden, damit in NRW endlich wieder geordnete Verhältnisse einkehren.
Es gibt also Wichtigeres, als im Schweizer Fernsehen gut gebrüllt zu
haben. Außerdem: Bundespolitische Probleme sollten nicht für
Profilierung missbraucht werden. Zudem: Die horrende Neuverschuldung
dieses Landes wird nicht am Zürichsee gestoppt.
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