Vertrauen ist der Anfang von allem, meint ein
großes deutsches Geldinstitut. Und der Satz ist wirklich gut. So gut,
dass er selbstverständlich weit jenseits der Finanzwirtschaft einiges
erklären kann. Schließlich wir alle jene existenziellen
Erlebniswelten, in denen Vertrauen alles ist. In Banken zum Beispiel.
Oder als Kunde in Kfz-Werkstätten. Oder als Patient. In diesen
Momenten der Hilfsbedürftigkeit hilft nur Vertrauen. Dass der mir
fachlich weit überlegene Halbgott im Kittel mir gibt, was ich in
meiner Notlage jetzt wirklich brauche. Natürlich weiß ich, dass auch
das, was der Arzt für mich tut, ein Geschäftsdeal ist: Ich bezahle,
er hilft. Aber trotzdem wohnt in mir die Hoffnung, dass er mir das
Richtige, Gute, Nützliche ohne Ansehen der Person angedeihen lässt:
nur mit Blick auf den Schaden oder die Qual, die zu beheben seine
Profession und Berufung ist. Jeder Verdacht, dem könne nicht so sein,
würde unser Verhältnis zerstören. Und ich würde mich einem anderen
Dienstleister „meines Vertrauens“ zuwenden – wenn ich kann. Wenn.
Doch wenn ich als Todkranker auf eine Niere oder Leber oder ein Herz
warte, dann kann ich das eben nicht. Vertrauen ist hier Anfang – und
gegebenenfalls auch das Ende von allem. 9,6 Prozent der Patienten,
die in Deutschland im letzten Jahr auf eine die Leber eines
Organspenders warteten, waren Privatpatienten. Doch der Anteil unter
ihnen, der diese Leber am Ende tatsächlich bekam, lag mit über 13
Prozent deutlich höher. Zufall? Bei den anderen Organen, die für 2011
statistisch erfasst wurden, war es genauso. Das ist das Ergebnis der
Anfrage des Grünen Abgeordneten Harald Terpe an den
Bundesgesundheitsminister. Bevorzugung? Habe ich bessere Chancen zu
überleben, wenn ich mir eine private Krankenversicherung leiste, bzw.
leisten kann? Ist es also wirklich mehr, als das Einzelzimmer im
Krankenhaus, die Chefarzt-Visite oder das (deutlich) freundlichere
Hallo der Sprechstundenhilfe bei der Terminabgabe? Entscheidet mein
Geldbeutel eben doch auch über die existenziellen Fragen, über Daumen
rauf und Daumen runter? Dieser Verdacht steht wieder neu im Raum. Er
ist Gift für ein Gesundheitssystem, das auf dem Vertrauen zwischen
Arzt und Patient aufbaut, aber auch auf der finanziellen Solidarität
zwischen den Patienten. Ich zahle, also lieg ich besser – ok. Aber:
Ich zahle, also bin ich? Ist es naiv, diesen Satz unethisch zu
finden? Das Transplantationsgesetz ist an dieser Stelle ganz klar:
Über den Platz auf der Warteliste und den Erhalt eines Spenderorgans
ist zu entscheiden nach „Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer
Organübertragung“, und zwar „nach dem Stand der Erkenntnisse des
medizinischen Wissenschaften.“ Von richtiger Versicherungsnummer
steht da nichts. Wenn also der Verdacht besteht, dass diese
Entscheidung von einer finanziell profitierenden Partei (zum Beispiel
den Ärzten) zu Ungunsten der Patienten entschieden wird, muss er
jetzt von den Verantwortlichen schnell ausgeräumt werden. Auch im
Interesse all der Ärzte, die unser Vertrauen tatsächlich verdienen.
Denn für das Gesamtsystem ist dieser Verdacht unerträglich – für den
Einzelnen im Zweifel tödlich.
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