NRZ: Scheinheilig fromme Hysterie – ein Kommentar von DIRK HAUTKAPP

Libyen, Ägypten, Tunesien, der Gazastreifen, Jemen,
Iran – und die Freitagsgebete kommen erst noch. Sechs Jahre nach den
globalen Verhärtungen, die das Abdrucken als anstößig empfundener
Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung ausgelöst hat, droht
in der islamischen Welt erneut ein Flächenbrand. Diesmal ist ein
dubioser Film der Auslöser, in dem ein inzwischen abgetauchter
Amerikaner unheiligen Schund produziert hat. Wieder stehen ungewisse
Tage des Zorns bevor, in denen radikale Minderheiten in der
muslimischen Welt leicht entflammbare Völker und Glaubensrichtungen
in Geiselhaft nehmen wollen. Wieder sind es synchron gesteuerte
Emotionen, die zu blinder Gewalt führen. Wieder geht es in Wahrheit
letztlich nicht um „den“ Westen und seine „Ungläubigen“, sondern um
interne Machtkämpfe.

Gegen die Maßlosigkeit der Wut und der scheinheilig frommen
Hysterie, die sich in der islamischen Welt auftut, hilft nur kühle
Analyse, kluge Verteidigung der manchmal unerträglichen
Nebenwirkungen von Meinungsfreiheit und eine Stärkung der
demokratischen Kräfte in der islamischen Welt. Alles andere wird den
Sog der Brandstifter so groß werden lassen, dass auch besonnene
Muslime in ihren Bann geraten könnten.

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