Rheinische Post: Folter in Georgien

Die schockierenden Bilder von Folter und
sexueller Gewalt aus georgischen Gefängnissen erinnern fatal an das,
was die Welt 2004 aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghraib zu sehen
bekam: Uniformierte, die sich in sadistischer Weise an Gefangenen
vergehen, offensichtlich im Gefühl der Unantastbarkeit. Dass es in
den Haftanstalten der ehemaligen Sowjet-Republik zu brutalen
Übergriffen kommt, wird schon länger gemunkelt. Sollten sich die
jetzt an die Öffentlichkeit gelangten Video-Aufnahmen als authentisch
erweisen, wäre dies ein Beleg dafür, dass das Land unter Präsident
Michail Saakaschwili einen schlimmen Rückfall in die
menschenverachtenden Praktiken der Stalin-Diktatur erlebt. Der Befund
ist ernüchternd: Saakaschwili wurde einst als pro-westlicher
Hoffnungsträger gefeiert. Der Mann schien es ernst zu meinen mit dem
Kampf gegen die Korruption und nahm Reformen in Angriff. Doch nun, da
er bei den bevorstehenden Wahlen erstmals einen gefährlichen
Konkurrenten hat, klammert sich der 44-Jährige an die Macht. Im
Westen muss man sich wohl eingestehen, dass es nicht weit her ist mit
der angeblichen Musterdemokratie am Kaukasus. Lange hat man in den
USA und Europa auf Saakaschwili gesetzt. Vielleicht zu lange.

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