Neues Deutschland: SPD-Kandidat Steinbrück: Genosse der Bosse

Das einstimmige Votum des SPD-Vorstands für Peer
Steinbrück als Kanzlerkandidaten ist bemerkenswert. Keine
Gegenstimme, nicht einmal eine Enthaltung gab es in dem 35-köpfigen
Gremium. Die Parteilinke hat die Zumutung Steinbrück geschluckt. Das
zeigt, dass die Kräfte in der SPD, die für eine soziale Reformpolitik
stehen, zu schwach sind. Sie haben es nicht geschafft, einen
Kandidaten stark zu machen, der sich wenigstens etwas von der
Agenda-Politik absetzt. Nun müssen sie mit dem nächsten Genossen der
Bosse in die Wahl ziehen. Viel Spaß. Die SPD-Linke kann nur
versuchen, den Kanzlerkandidaten so weit wie möglich an Beschlüsse zu
binden, mit denen die Partei in den zuletzt ein wenig vom
neoliberalen Kurs der Vorjahre abgerückt ist. Ob das besser gelingt
als bei Gerhard Schröder, ist angesichts der linken Schwäche
zweifelhaft. Was bei jenem Basta hieß, nennt Steinbrück
»Beinfreiheit« oder »Aktionsradius«. Wofür der SPD-Kandidat Spielraum
braucht, blieb bisher im Vagen. Bei der Wahl des Koalitionspartners,
der Vermögensteuer, der Rentenpolitik? Steinbrücks Ankündigung hat
manchen SPDler jedenfalls zurecht hellhörig gemacht. Für die
Linkspartei ist die Kür des Agenda-Manns in gewisser Weise günstig.
Eine so aufgestellte SPD bietet genug Angriffsfläche, um sich als
Alternative zu profilieren. Das könnte die Wahlchancen erhöhen. Für
die Durchsetzung sozialer Reformen sind die Aussichten indes
schlecht. Ein Schritt nach links ist von Steinbrücks Beinen nicht zu
erwarten.

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