Was bleibt, sind Angst und Scham
Ein Feuer tötet 14 Menschen. Am Tag danach herrschen eine hilflose
Trauer um die Toten und das Mitgefühl mit den Verletzten und den
Angehörigen, deren Leben nie mehr sein wird, wie es war. Kein Wort,
auch kein Zeitungskommentar nimmt ihnen den Schmerz.
Trotzdem ist die Debatte der nächsten Tage vorgezeichnet: Was war
die Ursache der Katastrophe? Hätte das Unglück verhindert werden
können? Und vor allem: Reichen die Sicherheitsbestimmungen in
deutschen Pflegeeinrichtungen aus? Womöglich wird ein Streit über die
Verantwortung für das Unglück entbrennen – wie nach dem Einsturz der
Eislaufhalle in Bad Reichenhall, wie nach der Love-Parade. Vielleicht
werden langfristig die Vorschriften zum Brandschutz verschärft.
Ungeachtet aller denkbaren Konsequenzen: Die Grundstimmung nach
der Katastrophe wird noch für lange Zeit von Angst und Scham geprägt
sein. Denn mit dem Brand in der Betreuungseinrichtung ist ein
Versprechen gebrochen worden, das die Gesellschaft sich selbst
gegeben hat: Wir sorgen für alle, die nicht selbst für sich sorgen
können. Dieses Vertrauen ist – durch welche Ursachen auch immer – in
Titisee-Neustadt auf Dauer beschädigt worden. Alle Sorgen, die auf
die Katastrophe folgen, treffen auf eine ohnehin sensible
Gefühlslage: Die Frage, wie wir mit Pflegebedürftigen umgehen, die
Angst, selbst einmal abhängig zu werden – all das zählte schon vor
dem Feuer zu den sensibelsten Punkten des Zusammenlebens.
Daniel Benedict
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