Neue OZ: Kommentar zu ADHS

Die Inflation einer Diagnose

Wenn mein Kind lieber tobt, als still am Tisch seine Hausaufgaben
zu erledigen, ist es dann noch normal oder bereits krank? Schon seit
Jahren streiten Experten über die Existenz der Aufmerksamkeits- und
Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Neue Zahlen des Barmer-GEK-Arztreports
geben nun Grund zur Sorge.

Denn von 2006 bis 2011 stieg die Anzahl der diagnostizierten Fälle
von ADHS bei Kindern und Jugendlichen unter 19 Jahren um 42 Prozent
an. Für überforderte Eltern ist der Befund oft eine Erleichterung.
Ihr „Zappelphilipp“ ist nicht wild, sondern krank. Doch tatsächlich
fangen mit der Diagnose die Probleme erst richtig an.

Anstatt sich mit dem Wesen ihres Kindes zu beschäftigen, vertrauen
viele blind ihren behandelnden Ärzten. Diese setzen auf Ritalin – ein
Arzneimittel, das die Konzentration fördern soll, aber Kinder
ruhigstellt.

Eine fragwürdige Methode: Man befasst sich nur mit den Symptomen,
statt den Ursachen auf den Grund zu gehen. So profitiert nicht das
Kind, sondern die Pharma-Industrie.

Aber nicht nur Kindern wird in unserer Leistungsgesellschaft zu
viel abverlangt. Auch Erwachsene klagen immer häufiger über
steigenden Druck am Arbeitsplatz, wie der aktuelle Stressreport
zeigt.

So ist der Grat zwischen gesund und krank sehr schmal und schnell
überschritten, sobald man mit dem System nicht Schritt halten kann.
Dieser Stress hat im Kinderzimmer nichts zu suchen. Denn ein Kind
wird früh genug erwachsen.

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Neue Osnabrücker Zeitung
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