Über kaum etwas kann man herrlicher streiten als
über den Zustand der deutschen Bildungslandschaft. Dabei sagt die
Kritik häufig mehr über den Kritisierenden als über ihren Gegenstand
aus. Wer selbst einmal ein Studium generale absolviert hat, beklagt
sich über die Verschulung der Universitäten. Der Handwerksmeister
beklagt sich, dass der Gesellenbrief als Gütesiegel der dualen
Ausbildung so viel wert sei wie in China manches Technikstudium. Und
der Alarmruf, in Deutschland würden zu wenig Ingenieure ausgebildet,
ist so beständig wie die Exporterfolge des deutschen Maschinenbaus.
Zu guter Letzt greift die Regel: Niemand kann sich so genüsslich
selbst geißeln wie wir, aber Kritik aus dem Ausland verbitten wir uns
in aller Bescheidenheit. Was bleibt bei all diesen
Widersprüchlichkeiten einer fast schon masochistischen Debatte? Der
Streit, ob der Facharbeiter, der Fachhochschul- oder der
Uni-Absolvent wertvoller ist, ist müßig. Jeder hat zudem das Recht,
weniger erfolgreich zu sein als seine Eltern – auch weil der Mensch
nicht erst beim Akademiker anfängt. Viel zu gering ist allerdings der
Anteil derer, die den Bildungsabschluss ihrer Eltern überspringen.
Das deutsche Bildungssystem krankt schlicht daran, dass es nach unten
durchlässiger als nach oben ist. Die 20 Prozent der 15-Jährigen, die
nicht sicher lesen und schreiben können, verkörpern die
himmelschreiende Ungerechtigkeit dieser Gesellschaft. Es sind zum
großen Teil Kinder aus Hartz-IV- und Migrantenfamilien. Auch aus ganz
schnöden wirtschaftlichen Interessen heraus dürfen wir diese nicht
aufgeben. Die vorschulischen Angebote müssen so ausgebaut werden,
dass alle Kinder zum Schulbeginn ordentlich deutsch sprechen können.
Und in sozialen Brennpunkten müssen die Schulen einen wesentlich
höheren Lehrerschlüssel zugeteilt bekommen als anderswo.
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Florian Giezewski
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