Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat
sich in einem Interview mit dem Fernsehsender WELT ausführlich zum
Koalitionsausschuss und zum Streit um Sozialreformen mit der SPD
geäußert. Das Studiogespräch mit der CDU-Chefin führte
WELT-Chefmoderatorin Tatjana Ohm:
– Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist bei uns – ich
grüße Sie ganz herzlich. Guten Morgen! Das erste Mal, dass Sie
im Koalitionsausschuss mit dabei waren – für Herrn Söder gilt
das ebenso. Atmosphärisch – wie haben Sie es empfunden, wie ist
es abgelaufen?
AKK: „Ja es war eine vollkommen undramatische, sehr konstruktive
Arbeitssitzung, wir haben über viele Prozesse gesprochen, haben aber
auch das angesprochen, wo es im Moment noch Meinungsunterschiede
gibt.“
– Vielleicht einen Hauch konkreter? (beide lachen)
AKK: „Wir haben natürlich auch über das Thema Grundrente
gesprochen, und haben insbesondere von Seiten der CDU/CSU nochmal
sehr deutlich gemacht, dass wir an dem Ziel festhalten: Wir wollen,
dass Leistung sich lohnt, wir wollen, dass derjenige, der lange
gearbeitet hat, am Ende auch mehr hat, aber wir haben dazu sehr genau
verhandelt im Koalitionsvertrag, wir wollen, dass der
Koalitionsvertrag umgesetzt wird, d.h. wir sehen es auch als eine
Frage der Gerechtigkeit an, dass es eine Bedürfnisprüfung gibt, damit
sichergestellt ist, dass die Hilfe auch bei denen ankommt, die sie
brauchen.“
– Wie hat die SPD darauf reagiert?
AKK: „Die SPD hat die Vorstellungen von Arbeitsminister Heil noch
einmal dargestellt, die ja keine Bedürftigkeitsprüfung vorsehen,
insofern haben wir da die Positionen ausgetauscht, sind uns aber in
der Frage noch nicht näher gekommen.“
– Wie will man da dann nun weitermachen?
AKK: „Es ist jetzt Sache des Arbeitsministers, seine Pläne zu
konkretisieren. Die Möglichkeit besteht auch darin, dass man nochmal
darüber redet: Was heißt Bedürftigkeitsprüfung, dazu gibt es ja keine
konkreten Festlegungen. Wenn er allerdings darauf besteht, dass es
überhaupt keine Bedürftigkeitsprüfungen geben sollte, dann glaube
ich, wird eine Einigung eher schwer.“
– Herr Klingbeil hat gesagt „Wir werden uns bemühen, die
Unionsparteien mit guten Argumenten zu überzeugen von der
Bedürftigkeitsfrage“. Was wäre denn für Sie ein Argument? Sie
haben schon angedeutet: Wir müssen klären, wie man Bedürftigkeit
definiert. Wie würden Sie es denn definieren, so dass es mit dem
Koalitionsvertrag noch d–accord geht, und man der SPD trotzdem
entgegenkommt?
AKK: „Zuerst einmal haben wir die Bedürftigkeit im
Koalitionsvertrag an der Grundsicherung orientiert. Wir haben aber
gleichzeitig auch gesagt, dass jemand, der ein selbst genutztes
Wohneigentum hat… dass man da über die Frage, inwieweit wird das
angerechnet, nochmal reden kann. Also, es gibt da unterschiedliche
Varianten, und das, was wir vom Arbeitsminister erwarten, ist, dass
er dazu eben auch Vorschläge macht, denn das sind Vorschläge, die wir
brauchen, damit wir unser gemeinsames Ziel, eine Grundrente auf den
Weg bringen zu können, auch schnell erreichen. Denn ich glaube, dass
es schon eine Erwartung der BürgerInnen gibt, Lösungen, die man
erreichen kann, auch umzusetzen.“
– Ihr Koalitionspartner, die SPD, hat ja in den vergangenen Tagen
auch einiges auf den Tisch gelegt; die versuchen sich auch ein
bisschen selbst zu finden. Bei Ihnen war es das
Werkstattgespräch, bei den Sozialdemokraten ging es vor allem um
die Aufarbeitung von Hartz IV, dieses schwere Erbe, an dem man
da trägt. Jetzt kommt aus Ihrer Partei ebenfalls die Überlegung,
an Hartz IV zu basteln. Kai Whittaker z.B. hat das getan, mit
einem 5-Punkte-Plan. Waren Sie involviert in diesen Plan? Was
wissen Sie darüber?
AKK „Zuerst einmal ist es so, dass Kai Whittaker als der
entsprechende Sprecher in der Bundestagsfraktion sich Gedanken
darüber gemacht hat, wie eben auch insbesondere zur Frage –Wie
bekommen wir Langzeitarbeitslose wirklich auch wieder auch in Arbeit
hinein?– Insofern sind das erstmal seine Überlegungen, die jetzt
natürlich innerhalb der Bundestagsfraktion aber auch gemeinsam mit
der Partei dann besprochen werden müssen. Für uns ist ganz wichtig
beim Thema Hartz IV, dass es beim Prinzip –Fördern und Fordern–
bleibt. Unser Ziel war immer: schaffen wir es, die Menschen in Arbeit
zu bringen und mit Blick auf die Kinder, schaffen wir es, sie
sozusagen nicht in ihren Verhältnissen hängen zu lassen. Das sind die
zwei Hauptziele, die wir haben. Für alle Vorschläge, die dazu dienen,
diese beiden Ziele noch besser zu erreichen, als das bisher der Fall
war, sind wir offen. Allerdings ist – glaube ich – das, was die SPD
am Wochenende vorgelegt hat, ein gutes Stück davon entfernt.“
– Wenn Sie sagen „festhalten, ausbauen, fördern und fordern“,
könnte das auch bedeuten, dass man in den Jobcentern anders
arbeiten muss, dass man passendere Angebote anbieten muss, und
vor allem auch, dass die Wirtschaft mitgeht. Können sie das
garantieren?
AKK „Zuerst einmal haben wir in den Jobcentern ja in den
vergangenen Jahren schon entsprechende Veränderungen gemacht – und
ich würde mal sagen, mit Blick auf viele Kolleginnen und Kollegen,
die in den Jobcentern arbeiten, die geben wirklich ihr Bestes und
haben auch vielen Menschen dort schon geholfen. Und wir haben auf der
anderen Seite eine Situation, in der viele Unternehmen sagen, sie
suchen händeringend nach Fachkräften – und deswegen ist ja einer der
Punkte, über die wir reden, wie schaffen wir es, insbesondere jüngere
Leute, aber auch unter dem Prinzip Fördern und Fordern etwa zu einer
Ausbildung zu bringen, denn das ist die beste Versicherung gegen
Arbeitslosigkeit, darauf sollte man sich konzentrieren, aber nicht
darauf, notwendige Sanktionen, um Fördern und Fordern durchzusetzen
eben abzuschaffen.“
– Bei der SPD hätte man den Staat gerne als Partner …
AKK: „Der Staat ist hier ein Stück Partner, aber er steht
natürlich auch in der Verpflichtung, denn das Geld, mit dem dieses
System unterhalten wird, ist das Geld, das die Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler hart erarbeiten. Und wie soll ich eigentlich einer
alleinerziehenden Mutter, die im Grunde genommen unter großen
Schwierigkeiten arbeitet, klarmachen, dass sie sozusagen mit ihrem
Geld jemanden unterstützt, der es dann es noch nicht einmal für nötig
hält, sich zum Beispiel zurückzumelden oder Angebote zur
Qualifizierung wahrzunehmen. Das ist ungerecht denjenigen gegenüber,
die sozusagen mit ihrer Leistungskraft zur Solidarität mit denen, die
es brauchen, beitragen. Und deswegen ist das ist für mich eine sehr
grundlegende Frage, dass Fördern und Fordern beibehalten wird.“
– Ich würde gern nochmal auf die letzte Nacht zu sprechen kommen.
Jetzt waren Sie das erste Mal beim Koalitionsausschuss dabei, es
gibt heute – am Tag danach – den einen oder anderen
Zeitungsartikel, der sagt, Sie haben jetzt das große Sagen, die
Kanzlerin ist nur noch Zaungast.
AKK: „Nein, das war überhaupt nicht so. Zum einen waren wir im
Kanzleramt eingeladen. Wir hatten uns auch darauf verständigt, dass
die Kanzlerin die Gesprächsleitung weiterhin in der Hand hat. Das war
insgesamt eine sehr demokratische Runde, bei der es sowieso nicht
besonders hierarchisch zugeht, sondern es war wirklich ein gutes
Arbeitsgespräch. Insofern wird da sehr viel spekuliert, über Dinge,
die uns gestern Abend auf keinen Fall beschäftigt haben.“
– Aber haben Sie schon das Gefühl, dass die Fraktion und Sie als
Parteichefin einen anderen Zug, eine andere Tonalität da
reinbringen, dass man anders künftig miteinander arbeitet?
AKK: „Ich war in Koalitionsausschüssen vorher nicht dabei,
insofern kann ich es schlecht beurteilen. Ich kann nur sagen, gestern
war das wirklich eine gute Arbeitsatmosphäre… obwohl wir viele
Punkte haben, bei denen wir noch unterschiedlicher Auffassung sind.
Aber wir sind sehr konzentriert daran, zu erarbeiten; was steht jetzt
an, wie könnten wir vorgehen, und auch nochmal deutlich zu machen:
Wie ist die Sicht einer Partei dazu, wie ist die Sicht der Fraktion
und wie muss es in der Regierung koordiniert werden. Das war gestern
überhaupt kein Problem. Das ist wirklich in einer sehr konstruktiven
Art und Weise miteinander besprochen worden.“
– Sie sehen sich nicht in Konkurrenz zu Frau Merkel?
AKK: „Nein.“
– Letzte Frage – der A380 soll eingestellt werden. Das könnte auch
einen Verlust von Arbeitsplätzen hier in Deutschland bedeuten.
Wie reagieren Sie darauf?
„Also zuerst einmal muss man diese Ankündigungen zur Kenntnis
nehmen. Und bevor man über Reaktionen redet, muss man schauen, was
das ganz konkret heißt; wie viele Arbeitsplätze werden betroffen,
wäre es möglich, Kapazitäten in andere Produktionsbereiche
umzulenken? Ich glaube, dass das jetzt die Befassung der nächsten
Stunden und Tage sein wird. Erst, wenn das auf dem Tisch liegt, kann
man als Politik erst seriös folgern, was daraus zu folgern hat.“
– Frau Kramp-Karrenbauer, vielen Dank, dass Sie im Studio waren,
Ihnen noch einen angenehmen Tag.
AKK: „Dankeschön.“
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