Badische Neueste Nachrichten: Das Verstaändnis fehlt

Es muss nicht immer Brüssel sein. Es kann auch
mal Jakarta sein. Angela Merkel, seit Wochen in Sachen Euro-Rettung
im Dauereinsatz, kehrt für drei Tage der Alten Welt den Rücken und
fliegt um den halben Globus nach Indonesien, um dort politische
Gespräche zu führen. Nur, sie kann noch so weit wegfliegen wie sie
will, der Euro-Krise kann sie nicht entfliehen. Dafür sorgt schon das
Bundesverfassungsgericht: Morgen, wenn sich die Kanzlerin mit dem
indonesischen Staatspräsidenten trifft, findet in Karlsruhe die
mündliche Verhandlung über die Eilanträge gegen den dauerhaften
Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt für mehr
Haushaltsdisziplin statt. Ungemach droht der Kanzlerin auch von
anderer Seite. Möglicherweise noch während der Sommerpause wird der
Bundestag in Sondersitzungen entscheiden müssen, ob Spanien und
Zypern Mittel aus dem Euro-Rettungsschirm erhalten, nach
Griechenland, Portugal und Irland. Was im Grunde wie eine
Selbstverständlichkeit klingt, könnte sich für Merkel noch als
schwere innenpolitische Bewährungsprobe erweisen. In der
schwarz-gelben Koalition steigt die Zahl der Gegner von Abstimmung zu
Abstimmung, die SPD droht damit, dieses Mal nicht als
Mehrheitsbeschafferin zu fungieren. Dass Gelder direkt aus dem
Hilfsfonds an Banken fließen und der Staatenrettungsfonds auf diese
Weise zum Bankenrettungsfonds wird, wird nicht nur in der Opposition,
sondern auch und gerade in der Koalition kritisch gesehen und könnte
die Zahl der Gegner weiter in die Höhe treiben – für viele ist damit
endgültig eine rote Linie überschritten. Angela Merkel hat noch viel
Überzeugungsarbeit zu leisten. Das sagt kein Geringerer als der erste
Mann im Staate, Bundespräsident Joachim Gauck – und legt damit seinen
Finger in die offene Wunde der Kanzlerin. Zwar stehen die
Bundesbürger mehrheitlich hinter ihr und vertrauen ihr, noch, aber
sie verstehen immer weniger, was auf den Krisengipfeln in Brüssel
eigentlich beschlossen wird und ob die Bedingungen, die gestern einem
Staate noch auferlegt wurden, heute noch gelten oder morgen schon
wieder verändert werden. Merkel, die lieber leise im Hintergrund ihre
Fäden zieht, gelingt es nicht, ihre Politik verständlich zu erklären.
Da aber schon die eigenen Abgeordneten kaum mehr wissen, um was es
geht, wie sollen es da die Bürger noch verstehen? Ohne Verständnis
aber keine Akzeptanz.

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