Südwest Presse: KOMMENTAR · MELDEGESETZ

Gegen alle Sitten

Wenn die Fußball-Nationamannschaft zu wichtigen Spielen aufläuft,
müssten die Abgeordneten im Bundestag besonders aufpassen. Nein, ihr
Mitfiebern entscheidet nichts auf dem grünen Rasen. Im Parlament
könnten sie aber ihrer Pflicht nachkommen und etwas bewegen.
Regierungen nutzen seit Jahren solche Fußball-Stunden und drücken im
Eilverfahren Gesetze durch. Jüngster Fall: das neue Meldegesetz. Erst
jetzt stellt sich heraus, dass der Adresshandel massiv von Klauseln
profitiert. Unter informationeller Selbstbestimmung versteht man
jedenfalls etwas anderes. Sie bedeutet: Persönliche Daten dürfen nur
Dritten überlassen werden, wenn man dies ausdrücklich erlaubt. Bei
der Pflicht des Bürgers zur Datenabgabe an Behörden oder in
öffentlichem Auftrag Handelnde – etwa im Gesundheitswesen – muss
dieser Grundsatz ausnahmslos gelten. Deshalb verstößt bereits die
Widerspruchslösung zumindest gegen den Geist dieses Grundrechts. Die
Bürger über die Weitergabe ihrer Daten im Unklaren zu lassen, dürfte
einer Prüfung des Verfassungsgerichts nicht standhalten. Der
Bundesrat muss das Gesetz stoppen. Er sollte es nicht nur wegen des
Datenschutzes tun. Er muss die Gesetzgebungsmethode scharf rügen. Sie
gibt alle Abgeordnete der Lächerlichkeit preis und widerspricht allen
parlamentarischen Sitten. Der Bundestag ist aufgefordert, solche
Winkelzüge im eigenen Interesse sofort zu unterbinden.

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Lothar Tolks
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