Badische Neueste Nachrichten: Die ordnende Hand fehlt

Es brennt an allen Ecken. Der Generalsekretär
der CSU will die Griechen lieber heute als morgen aus dem Euro
werfen, die FDP will das Elterngeld kürzen und die SPD die
Reduzierung der Rentenbeiträge im Bundesrat stoppen. Ein Jahr vor der
Wahl muss Angela Merkel sich vorkommen wie Klaus Wowereit am neuen
Berliner Flughafen: Auf einer riesigen, kaum noch zu überschaubaren
Baustelle, auf der jeder macht, was er will. Um den Korpsgeist der
vermeintlichen Wunschkoalition aus Union und FDP war es vom ersten
Tag an nicht allzu gut bestellt. Mittlerweile allerdings haben ihn
vor allem die beiden kleineren Partner komplett aufgekündigt. Die
Liberalen kämpfen um ihre Existenz und versuchen in Konflikten wie
dem um die Vorratsdatenspeicherung nun mit genau der
Prinzipienfestigkeit zu punkten, die ihnen bei der umstrittenen
Einführung des Steuerrabattes für die Hotellerie gefehlt hat – und
die CSU hat, die nächste Landtagswahl schon vor Augen, kein Interesse
an einem geräuschlosen Funktionieren der Koalition in Berlin. Die
Währung, in der Horst Seehofer und Alexander Dobrindt am liebsten
rechnen, heißt Aufmerksamkeit – koste sie, was es wolle. Das letzte
Jahr einer Legislaturperiode ist erfahrungsgemäß fast immer das
ineffizienteste. So früh und so ungeniert allerdings hat schon lange
keine Koalition mehr in den Wahlkampfmodus geschaltet. Auch deshalb
muss Angela Merkel nun etwas straffer führen. Wenn ihre Baustelle
nicht auch bald im Chaos versinken soll, muss aus ihrer Politik der
ruhigen Hand eine Politik der ordnenden Hand werden. Man kann ohne
großes Risiko Wetten darauf abschließen, dass das vermeintliche
Machtwort der Regierungschefin in Sachen Euro-Diskussion, bei denen,
die gemeint sind, ungehört verhallen wird. Die CSU denkt und treibt
quer, weil sie eben demnächst Wahlen und weil sie das Ohr am Volk
hat; sie will zumindest in Bayern den ungeliebten Koalitionspartner
FDP loswerden, der europapolitisch an den gleichen Bruchlinien wie
sie selbst hin und her schwankt, zwischen Zuckerbrot und Peitsche für
Griechenland, zwischen ihrem milderen Außenminister Guido Westerwelle
und dem strengeren Parteichef Philipp Rösler.

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