Badische Neueste Nachrichten: Ein großer Lichblick

Sage mir, wie ein Land mit seiner Vergangenheit
umgeht, und ich sage dir, wie demokratisch es ist. Die Regierenden
vieler Länder wollen aber von Vergangenheitsbewältigung nichts
wissen. Lieber decken sie einen Mantel des Schweigens über die
dunklen Flecken in der nationalen Geschichte. Ein großer Lichtblick
ist, wenn andere den Mut haben und mahnen, den Opfern von Gräueltaten
endlich Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Der europäische
Gerichtshof für Menschenrechte hat nicht weggeschaut. Er hat das
heikle Kapitel Katyn aufgegriffen. Er scheute sich nicht, das
Kriegsverbrechen, befohlen vom kommunistischen Diktator Stalin, der
Nachfolgeregierung der Sowjetunion, den heutigen Moskauer
Machthabern, ins Gedächtnis zu rufen. Leider ist es nur ein Moment
des Erinnerns – nicht mehr. Der Gerichtshof verurteilte Russland
nicht dazu, den Mord an 22 000 Polen neu zu untersuchen. Aber
immerhin: Das Gericht signalisiert damit, dass die Toten nicht
vergessen sind. Dies ist ganz wichtig: Nationen, die Genozide und
Massenmorde in ihrer Geschichte leugnen, dürfen nicht ungeschoren
davonkommen. Die Gemeinschaft der freien Staaten in der Welt muss
dafür sorgen, dass diese Verbrechen so lange genannt werden, bis ein
Umdenken einsetzt. Denn eines ist sicher: Ein Land, das sich seiner
Geschichte nicht stellt, kann kein wirklich freiheitlicher Staat
sein. Das sieht man an Russland, das sieht man an der Türkei, das
sieht man an China. Wer im Umgang mit seiner Vergangenheit kein Recht
walten lassen will, wird es damit auch in der Gegenwart nicht so
genau nehmen. Moskau will mit den Verbrechen von Katyn nichts zu tun
haben, Ankara nichts mit dem Völkermord an den Armeniern. Deshalb ist
es kein Zufall, dass sie auch in der Gegenwart keine großen Stücke
auf den Rechtsstaat halten. Dessen muss sich das westliche freie
Europa immer bewusst sein und danach handeln.

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Klaus Gaßner
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