Badische Neueste Nachrichten: Obamas Wunschliste

Am neuen Redenschreiber wird es nicht gelegen
haben, an Cody Keenan, dem 32 Jahre alten Wortkünstler, der
neuerdings an Barack Obamas Entwürfen feilt. Es war eine Rede zur
Lage der Nation, die für amerikanische Verhältnisse ausgesprochen
nüchtern ausfiel, bis auf die emotionalen Sätze am Ende, als der
Staatschef über den Waffenwahn sprach. Ansonsten fehlte der große,
inspirierende, pathetische Ton, wie ihn US-Präsidenten meistens
anschlagen, wenn sie sich an beide Häuser des Parlaments wenden.
Keine einzige Passage dürfte Eingang in Rhetoriklehrbücher finden,
aber das war auch nicht der Zweck der Übung. Worum es ging, hat Obama
in schlichter Prosa mehrfach wiederholt: „Lasst es uns tun.“ Eine
Einwanderungsreform steht auf dem Plan, Waffengesetze, Klimanovellen,
ein höherer Mindestlohn, die Modernisierung der veralteten
Infrastruktur, die Verschrottung von Atomraketen, eine
transatlantische Freihandelszone. Eine dichte Agenda, und nur
durchzusetzen, wenn der Kongress nicht Sand ins Getriebe streut. Will
Obama Nägel mit Köpfen machen, muss er sich mit den Republikanern
einigen, denn an der parlamentarischen Kräftebalance hat sich trotz
seines Sieges im November nichts geändert. Was er jetzt formulierte,
war eine Art Maximalprogramm für seine zweite Amtszeit. Eine
Wunschliste der Demokraten, wenn man so will. Der erste Schachzug
einer langen Partie. Kein Zweifel, Obama erhöht den Druck. Seine
Wiederwahl stärkte sein Selbstbewusstsein, dem Kraftakt der
Gesundheitsreform sollen die nächsten Meilensteine folgen, der Mann
möchte in die Geschichtsbücher eingehen. Dazu will er nicht nur den
Schwung seines Sieges nutzen, sondern auch eine gewisse
Nachdenklichkeit in den Reihen der Konservativen, denen allmählich
dämmert, dass pragmatische Wechselwähler eine betonharte
Totalopposition keineswegs schätzen. Er sieht ein offenes Fenster,
das sich vielleicht bald wieder schließt. Falls echte Reformen
überhaupt machbar sind, müssen sie in diesem Jahr angepackt werden –
im nächsten lässt das fällige Kongressvotum die Fronten schon wieder
verhärten. Nun beginnt das Klein-Klein des Feilschens um Kompromisse.

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