Belarus: Staatsfernsehen verunglimpft Journalistenverband

Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilt die
Verleumdungskampagne gegen den Belarussischen Journalistenverband
(BAJ) im Minsker Staatsfernsehen. In einem TV-Beitrag wurde der
Organisation Betrug und illegale Finanzierung aus dem Ausland
vorgeworfen. Der BAJ ist der einzige unabhängige Journalistenverband
in Belarus und eine der aktivsten Medienorganisationen in Osteuropa.

„Wir nehmen die Schmutzkampagne gegen die BAJ sehr ernst“, so ROG.
Die Organisation erinnert daran, dass der Prozess gegen den
Menschenrechtler Ales Bjaljatski vor kurzem auf ähnliche Weise
begann. Der Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation Wjasna
(Frühling) wurde im November 2011 wegen angeblicher
Steuerhinterziehung zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. „Die
Diffamierungen des Staatsfernsehens zielen auf das Zentrum des
unabhängigen Journalismus in Belarus“, so ROG.

Der TV-Sender BT hatte dem BAJ in einem Beitrag vom 5. Februar
Betrug und illegale Finanzierung aus dem Ausland vorgeworfen.
BAJ-Gründerin Zhanna Litvina wurde als selbstverliebte Verbandschefin
diffamiert, die die Wahrheit vertusche und Geld veruntreue. Dabei
berief sich der Sender auf „geheime Dokumente der britischen
Botschaft“. Sie wurden im Beitrag gezeigt, tragen aber weder
Unterschriften noch offizielle Stempel.

Litvina bestreitet, die Dokumente je gesehen zu haben. „Dieser
einseitige Bericht nach Geheimdienst-Manier wurde produziert, um mich
zu demütigen und die Organisation zu untergraben“, kommentierte die
BAJ-Vorsitzende. Die Anwälte ihres Verbands wollen den TV-Sender
wegen Beleidigung verklagen. „Wir müssen mit weiteren Angriffen
rechnen“, so Litvina, „Belarus ist ein unberechenbares Land.“

Die Arbeit des BAJ war besonders wichtig geworden, nachdem das
belarussische Regime im Dezember 2010 Proteste der Bevölkerung brutal
niedergeschlagen und die Medienfreiheit weiter eingeschränkt hatte.
2011 wurden mehr als 100 Journalisten verhaftet und 34 zu teilweise
hohen Gefängnisstrafen verurteilt. ROG zählt den belarussischen
Präsidenten Alexander Lukaschenko zu den Feinden der Pressefreiheit.

Zhanna Litvina hat als Journalistin für zahlreiche
regierungskritische Medien gearbeitet, unter anderem für Belorusskaja
Molodjoschnaja und 102.2 (zwei Mitte der 1990er Jahre durch die
Behörden geschlossene Radiosender), für das Lokalprogramm von Radio
Free Europe / Radio Liberty sowie für Radio Racyja, das von Polen aus
ein belarussisches Programm ausstrahlt.

1995 gründete Litvina den Belarussischen Journalistenverband. Er
setzt sich für unabhängigen Journalismus ein, organisiert Schulungen
und bietet kostenlose Rechtshilfe bei strafrechtlicher Verfolgung.
2004 erhielt der BAJ den Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments.
Er hat inzwischen mehr als 1000 Mitglieder und neben der Zentrale in
Minsk Büros in fünf weiteren Regionen des Landes. Der Verband ist
Mitglied der International Federation of Journalists und eine
Partnerorganisation von ROG.

Weitere Informationen in englischer Sprache finden Sie unter:
http://baj.by/en/node/10782

Sie finden diese Meldung online unter: http://bit.ly/yPdCOH

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