BERLINER MORGENPOST: Auftritt eine Provokateurs – Kommentar von Miguel Sanches

Kaum einen Tag im Amt und wir wissen, dass der
Islam nicht zu Deutschland gehört und ein Masterplan für
Abschiebungen eilt. Nennen wir es Seehofers Sofortprogramm. Daran
fällt auf, dass es Botschaften der Ausgrenzung sind und dass sie die
Bürger bestenfalls mittelbar betreffen. Die meisten sind keine
Muslime. Erst recht sind sie keine Abschiebefälle. Der Innenminister
hätte uns besser mehr Schutz vor Kriminalität versprechen sollen, vor
Terror und Wohnungseinbrüchen, oder auch – wenn der Mann schon so auf
Ausländer fixiert ist – einen Masterplan für Integration.

Seehofer wird nie mehr so stark sein wie jetzt. Zum einen sind die
ersten 100 Tage im Amt wie ein weißes Blatt, das darauf wartet, dass
man es vollschreibt oder zusammenfaltet, so dass wenigstens ein
eindrucksvoller Papiertiger daraus wird. Zum anderen kennt der
Innenminister die Begrenzungen des Amts nicht. Die wird er früh genug
erfahren. Dann wird er feststellen, dass nicht der Bund, sondern in
erster Linie die Länder abschieben, zum Teil die Kommunen, und dass
sie es nicht immer selbst in der Hand haben, weil oft Papiere fehlen,
Herkunftsstaaten mauern. Seehofer wird es so ergehen wie vielen
Ministern vor ihm. Sie kommen als Föderalisten ins Amt und
konvertieren zum Zentralismus.

Die Ironie ist, dass man von einem Innenminister Taten erwartet,
harte Fakten für Sicherheit, Seehofer sich stattdessen mit einem
Glaubensbekenntnis einführt; mit dem Bekenntnis, dass der Islam nicht
zu Deutschland gehört. Das darf er sagen, als Innenminister ist er
für Religionen zuständig, aber es ist überflüssig. Es ändert nichts
an der Realität, stärkt weder die Integration noch den Zusammenhalt.
Verbalradikalismus ist ein traditionelles Stilmittel des CSU, das
freilich nicht viel über die künftige Amtsführung verrät.

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