BERLINER MORGENPOST: Eine längst überfällige Entscheidung – Leitartikel von Gilbert Schomaker

Das ist doch mal eine gute Entscheidung. Das
umstrittene Gesetz, das die Haus-, Grundstücks- und Wohnungsbesitzer
verpflichtet, den Straßenausbau mitzubezahlen, wird abgeschafft.
Damit folgt Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) den
Vorgaben des Koalitionsvertrags. Die CDU hatte in den Verhandlungen
durchgesetzt, dass das Gesetz abgeschafft wird. Damit folgt Müller
aber auch der Vernunft. Denn das Gesetz hat sich praktisch als
untauglich erwiesen. Linkspartei und SPD hatten bei der Einführung
2006 zum Teil mit ideologischen Scheuklappen Hausbesitzer
grundsätzlich als reich abgeheftet. Anders als Mieter sollten sie nun
zur Kasse gebeten werden. Doch Hausbesitzer ist nicht gleich
Hausbesitzer. Viele Menschen in den Siedlungsgebieten am Stadtrand,
die besonders von den Gebühren betroffen waren, haben ihr Eigenheim
als Sicherheit fürs Alter erworben. Nun sollten Rentner in
Lichtenrade oder junge Familienväter in Köpenick, die jeden Monat
Zinsen und Tilgung für ihre Hypothek aufbringen müssen, plötzlich
10.000 Euro für den Straßenausbau vor ihrer Haustür bezahlen. Auch
wenn diese Summen gestundet werden konnten, waren sie für die
Betroffenen ohne große Einkommen eine große Belastung. Hier wurden
die Falschen abkassiert. Das war der erste Denkfehler im Gesetz. Der
zweite war vorhersehbar: Dank des Gesetzes zur Zwangsbeteiligung der
Anwohner konnten die Bezirke endlich Straßen in Angriff nehmen, für
die sie vor der Einführung des Gesetzes kein Geld hatten. Schnell
wurde auch Straßenausbau gleichgesetzt mit Straßensanierung. Anwohner
sollten teure Parkbuchten, Regenwasserkanäle und Straßenbeleuchtung
gleich mitbezahlen. In vielen Fällen entschieden die Bezirksämter
auch über die Köpfe der Anwohner hinweg. Da wurden Parkbuchten
geplant, obwohl die Anwohner ihre Autos auf ihrem eigenen Grundstück
abstellten. Noch absurder wurde es in Lichtenrade: Am Kirchhainer
Damm sollten die Anwohner den Ausbau der Straße teuer mitbezahlen,
damit sie noch mehr Verkehr vor ihrer Haustür haben. Merke: Wenn man
den Behörden erst einmal einen Hebel in die Hand gibt zum
Geldeintreiben, werden sie das auch garantiert machen. Der dritte
Webfehler des Straßenausbaubeitragsgesetzes lag im System: Wie
mehrere Berechnungen nachgewiesen haben, lagen die Verwaltungskosten
für die Berechnung der Gebühren höher als der Anteil der Bürger am
Straßenausbau. Gesamtwirtschaftlich gesehen, war es also ein
Minusgeschäft für das Land Berlin. Nicht vergessen werden sollte,
dass die Autofahrer schon heute über die Kfz-Steuer den Bau und
Unterhalt von Straßen mitfinanzieren. Trotzdem reiht sich in vielen
Straßen ein Schlagloch an das nächste. Um den Unterhalt besser zu
finanzieren, ist es sinnvoll, eine höhere finanzielle Beteiligung des
Lkw-Verkehrs zu erreichen. Denn die Lastwagen verursachen die großen
Schäden. Wenn in Brandenburg nach den Autobahnen nun die ersten
Landstraßen mit Mautsystemen ausgerüstet werden, ist das nur
folgerichtig. Vielleicht sollte auch Berlin darüber nachdenken, den
Transitverkehr stärker zur Kasse zu bitten.

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