Die Bundesregierung hat sich selbst erwartungsgemäß
ein gutes Zeugnis über den Fortgang der Energiewende ausgestellt. Die
Belege für diese Selbsteinschätzung sind zwar dürftig. Doch nachdem
die Koalition die Veröffentlichung ihres Zwischenberichts tagelang
hinausgeschoben hatte, kann sie nun immerhin ein paar halbwegs
handfeste Erfolge vorweisen: Das Geld zur Förderung der
Gebäudesanierung wurden geringfügig aufgestockt. Außerdem liegt jetzt
ein Gesetzentwurf zum Ausbau der Stromnetze vor. Als kameratauglichen
Beweis dafür, dass es vorangeht, konnte Bundeskanzlerin Angela Merkel
diese Woche sogar persönlich ein kurzes, aber strategisch wichtiges
Stück Stromleitung zwischen Hamburg und Schwerin in Betrieb nehmen.
Das verlieh der regierungsamtlichen Botschaft zur Energiewende
immerhin einen Anschein von Plausibilität: Der Weg ist hart, aber die
Richtung stimmt. Wenn dem nur so wäre. Mit einer schonungslosen
Zwischenbilanz hat der von der Bundesregierung präsentierte Bericht
wenig zu tun. Denn zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme hätte der
Befund gehört, dass es in Wirklichkeit nur in zwei Teilaspekten der
Energiewende ansatzweise gut läuft, und dies auch nur dann, wenn man
diese Aspekte isoliert betrachtet. So konnten die
Erzeugungskapazitäten für Ökostrom zwar auf 25 Prozent stark
ausgebaut werden, allerdings ist dies ein teuer erkaufter Erfolg,
bezahlt mit Subventionen von inzwischen 20 Milliarden Euro pro Jahr.
Die beträchtlichen Risiken für die System- und Versorgungssicherheit,
für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, für den Kaufkrafterhalt
der Bevölkerung rechnet die Bundesregierung da aus gutem Grund nicht
gegen. Auch bei der Netzplanung hat das Bundeswirtschaftsministerium
zwar keine schlechte Grundlage geliefert, die fristgerechte Umsetzung
des Leitungsbaus ist dennoch höchst unsicher: Schon von 2015 an
sollen weitere Atomkraftwerke im ohnehin unterversorgten
Süddeutschland vom Netz gehen. Dass die geplanten „Stromautobahnen“
mit ihrer bislang kaum erprobten Gleichstromtechnik rechtzeitig
genügend Windstrom aus dem Norden herbeischaffen können, ist
unwahrscheinlich. Für die Beantwortung der Kernfragen der
Energiewende hat die Bundesregierung noch keine Lösung, so viel wird
aus dem Monitoringbericht deutlich: Der Aufbruch des uferlos
gewordenen Subventionssystems. Die Wiederherstellung eines Marktes
für Elektrizität, der Investoren verlässliche Preissignale liefern
kann. Die Synchronisation von erneuerbaren Energien, konventionellen
Reservekraftwerken und Speichern. Die Sanierung des energiefressenden
Häuserbestandes. Die Koordination der Bundesländer, die alle ihre
eigenen Energiewenden verfolgen. Auch, die Energiewende in den
europäischen Strommarkt einzubinden, gehört zu den unerledigten
Aufgaben der Bundesregierung. Dass es in all diesen Punkten im
Wahlkampfjahr 2013 nennenswert vorankommt, ist nicht zu erwarten. Im
Griff hat die Regierung den Umbau der Energieversorgung noch lange
nicht.
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