Der Irrsinn hat Methode. Es kann doch kein Zufall
sein, dass Europas Verbraucher alle paar Monate von einem neuen
Lebensmittelskandal heimgesucht werden. Mal sind es dioxinverseuchte
Eier, mal mit Viren versetzte Erdbeeren und jetzt Lasagnen, die nicht
halten, was auf der Etikettierung geschrieben steht. Und was
versprechen unsere Verbraucherministerinnen und Verbraucherminister
in Berlin, Bukarest, Paris oder Brüssel schon fast gebetsmühlenartig?
Wir werden bei uns zu Hause mögliche Versäumnisse aufklären,
natürlich die Kontrollen verschärfen. Wenn sie denn wirklich etwas
helfen, kurieren sie allerdings nur an den Symptomen einer
Nahrungsmittelindustrie im gemeinsamen EU-Markt, in dem die
Produktionsketten so verwoben sind, dass kaum noch einer durchblickt.
Am wenigsten der Verbraucher, der am Ende die Ware auspackt. Wer die
Lieferströme im Zusammenhang mit der jüngsten Rosstäuscherei
rekonstruiert, kann sich nicht mehr wundern, dass Manipulationen Tor
und Tür geöffnet sind. Wie das über den Kontinent vagabundierte
Pferdefleisch werden viele andere Zusätze für Lebensmittel von Land
zu Land gekarrt, um möglichst billig zu produzieren. Dem muss die EU
endlich einen wirksamen Riegel vorschieben. Zudem reizt die Brüsseler
Prämienpolitik zu Betrügereien, denn die Masse wird stark, die
Qualität weit weniger subventioniert. Im gerade beschlossenen
EU-Haushaltsentwurf bis 2020 soll die Landwirtschaft mit 373
Milliarden Euro alimentiert werden. Geholfen wäre den Verbrauchern ja
schon, wenn auf den Verpackungen gut leserlich und verständlich über
Herkunft und Zusammensetzung des Lebensmittels informiert würde. Und
gegen Verstöße Strafen drohen, die wirklich wehtun. Beides wird seit
Jahren von Verbraucherschutzorganisationen zu Recht gefordert. Noch
immer vergeblich, weil den Agrarministern der Schutz ihrer Klientel
offenbar noch immer wichtiger ist als der der Verbraucher. Aber auch
wir Verbraucher müssen umdenken. Die meisten von uns wollen es doch
billig, billig und schnell, schnell. So entsteht ein Preis- und
Wettbewerbsdruck von der Produktion bis zum Handel, dem die Qualität
allzu oft untergeordnet wird. Das beste Rezept dagegen: öfter mal
wieder selbst kochen und nicht unbedingt zum billigsten Angebot
greifen. Denn auch gutes Essen hat seinen Preis. Dass es diesmal das
Fleisch von Pferden ist, das uns so erregt, hat neben dem Betrug wohl
auch etwas mit der gespaltenen Liebe zu unseren Fleisch liefernden
Haustieren zu tun. Obwohl Pferdefleisch als sehr schmackhaft und
vergleichsweise fettarm gilt, graust es den meisten Deutschen, wenn
sie ans Schlachten der treuen Vierbeiner denken. Auch deshalb
verschmähen sie es weitgehend. Wer aber will beim Verzehr eines
Kalbschnitzels, Schweinskoteletts oder Hähnchens daran erinnert
werden, unter welch artfremden Bedingungen diese Kreaturen allzu oft
zu unserem billigen Verzehr produziert werden. Wir müssen uns auf
gesunde Lebensmittel verlassen können – und dürfen die Umstände der
Tierhaltung nicht ganz verdrängen.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de