Geht es nun wieder los – das Berlin-Bashing wie
schon einmal zu Beginn dieses Jahrtausends? Bundesweit wird über die
Blamage mit dem Willy-Brandt- Flughafen gespottet, die Kulturszene
des Landes empört sich über die Verbannung der alten Meister aus der
Gemäldegalerie – und nicht allein die Bayern klagen über ihre
Transferzahlungen mittels Länderfinanzausgleich an die wie die
Griechen über ihre Verhältnisse lebenden Berliner. Da ist der neu
belebten Anti-Berlin-Stimmung eine Umfrage in dieser Woche gerade
recht gekommen, nach der die Hauptstadt der Deutschen die
schlechteste Verwaltung der 15 größten Städte des Landes habe. Nun
wird sich kaum ein Berliner zu der Behauptung versteifen, unsere
Behörden seien ein Ausbund an Schnelligkeit, Freundlichkeit oder
Effizienz. Der frühere Finanzsenator Sarrazin mokierte sich einst gar
über „bleich und übelriechend herumlaufende Beamte“. Doch man tut den
weiblichen wie männlichen Beamten und Angestellten Unrecht, sie in
Gänze mit der Note „Sechs“ zu bewerten, wie es die Umfrage im Auftrag
des Wirtschaftsmagazins „Focus Money“ getan hat. Das Magazin sitzt in
München. Die Stadt, die es bekanntlich nicht immer gut mit Berlin
meint. Und ob, wie behauptet, die Umfrage wirklich repräsentativ ist,
daran sind mehr als gelinde Zweifel erlaubt. In der ganzen Republik
hat das Institut „Service Value“ (vorher nie davon gehört) 2.806
Menschen befragt, umgerechnet auf die 15 Städte also im Schnitt 200,
in der 3,3-Millionen-Metropole Berlin sogar 238, pro Bezirk ganze 20
Personen. Da ist es ganz schön kühn, von einer Stichproben-Befragung
mit allgemeingültiger Aussagekraft zu reden. Eher eine
Zufalls-Umfrage. Nehmen wir sie also nicht allzu ernst. Die Erfahrung
des einzelnen Bürgers mit seinen öffentlich rechtlichen
Dienstleistern ist ja ohnehin eine sehr individuelle. Auch deshalb,
weil sich der Durchschnitts-Berliner allenfalls zwei Mal im Jahr, so
die Statistik, zu einer Behörde aufmacht. Dass er dann in einigen wie
der Kraftfahrzeugbehörde, dem Sozialamt oder dem Bürgeramt länger als
ihm lieb ist warten muss, hat zweifellos auch mit dem ziemlich
rigorosen Personalabbau seit der Wende zu tun. Das mindert im
konkreten Fall den persönlichen Verdruss nicht. Aber hoffentlich
ermuntert es den Senat, wenn er denn schon kein Geld für mehr Beamte
hat, endlich dazu, den Vorschriftendschungel zu lichten. Das würde
viele Gänge zum Amt ersparen. Das Saarland hat an der
Jahrtausendwende zwei Drittel aller Vorschriften gestrichen. Es hat
dem Land kein Chaos gebracht, sondern es bürgerfreundlicher gemacht.
Wann, wenn nicht in einer großen Koalition wie dieser, machen Senat
und Bezirke endlich gemeinsam aus der Not eine Tugend. Eine, die
sogar Berlin bezahlen kann, weil sie nichts kostet. Nur Mut. Im
Übrigen – ganz so schlimm, wie behauptet, kann der Zustand der
Stadtverwaltung auch deshalb nicht sein, weil es immer mehr Menschen
und Unternehmen hierher zieht. Bei der Auswertung der Umfrage hat
sich doch nicht etwa Neid ob der Attraktivität Berlins
eingeschlichen?
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