BERLINER MORGENPOST: Karriere mit der Opa-Zeit Florian Kainüber Kristina Schröders Imageprobleme und die Idee vom Erziehungsurlaub für Großeltern

Es wird wohl niemand mehr auf die Idee kommen, dass
es originell oder gar kühn sein könnte, sich kritisch an Kristina
Schröder abzuarbeiten. Kein Kabinettsmitglied muss seit jeher mehr
Häme und Spott über sich ergehen lassen als die Familienministerin,
die wahlweise als überfordert, latent reaktionär oder vollkommen
planlos beschrieben wird. Und natürlich hat Kristina Schröder – wie
es oft ist in solchen Fällen – persönlich einiges dazu beigetragen,
dass es so weit kam. So ist ihr Kampf um die Großelternzeit, die sie
nun einführen will, auch ein Kampf um mehr Anerkennung.

Es war eben unklug, sich mit allen gleichzeitig anzulegen: Mit der
schier übergroßen Vorgängerin Ursula von der Leyen, die es ihr
allerdings auch nicht gerade leicht gemacht hat. Mit der CSU, weil
sie – was wirklich ungeschickt war – durchblicken ließ, dass sie von
deren Betreuungsgeld in Wahrheit auch nichts hält. Und mit den Frauen
in der Unionsfraktion, die Schröders Nein zur Frauenquote in
Aufsichtsräten als pure Provokation begreifen. Es könnte sich als
kapitaler Anfängerfehler herausstellen, dass sie diese Frage an ihr
Verbleiben im Amt knüpfte. Und warum es wirklich sein musste, auch
noch ein Buch unter dem Titel „Danke, emanzipiert sind wir selber“
auf den Markt zu bringen, das landauf, landab die Feministinnen in
Rage brachte, bleibt Kristina Schröders Geheimnis.

Die Maßlosigkeit der Kritik, die der jungen Politikerin immer
wieder entgegenschlägt, kann jedoch trotzdem irritieren. Es ist ihr
zu wünschen, dass es dieses Mal anders ist und sie sich
koalitionsintern durchsetzt. Denn ihr neues Projekt hat ja Charme. So
sehr der Begriff Großelternzeit zunächst vielleicht nach Polit-PR
klingen mag – das Vorhaben wird der Lebenswirklichkeit junger
Familien, in denen Oma und Opa oft keine kleine Rolle bei der
Kinderbetreuung spielen, durchaus gerecht.

Zugegeben: Wer partout seiner Tochter oder seinem Sohn in einer
womöglich schwierigen beruflichen Phase dabei helfen will, den
Nachwuchs zu betreuen, der kann auch heute schon mal unbezahlten
Urlaub nehmen oder ein Sabbatical beantragen. Ein genereller
rechtlicher Anspruch auf so eine Auszeit hat aber eine andere
Qualität. Er könnte manche animieren, diesen Schritt tatsächlich zu
wagen. Diejenigen, die davon in erster Linie profitieren, sind die
jungen Eltern, zumal die Mütter, die womöglich mitten in ihrem Examen
stecken oder Angst haben, sich mit einer zu langen Auszeit zum
falschen Zeitpunkt die gerade erst begonnene Karriere zu zerstören.

Dass der Ausbau der Kita-Plätze dennoch weitergehen muss, wird
auch von der Ministerin nicht bestritten. Es muss aber erlaubt sein,
auch über Alternativen zur Betreuung durch Dritte nachzudenken, ohne
deshalb gleich als vorgestrig zu gelten. In Wahrheit ist der Ansatz,
den Familien mehr zeitliche Spielräume zu verschaffen und dazu auch
Strukturen der Arbeitswelt aufzubrechen, doch ein durchaus moderner.
Genauso übrigens, wie es auch der gesellschaftlichen Realität
entsprach, den Bundesfreiwilligendienst für Senioren zu öffnen. Diese
machen davon inzwischen regen Gebrauch. Die Idee dazu kam damals von
– Kristina Schröder.

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